Abschlussbericht der Case study 29

Der Abschlussbericht ist unter der Überschrift Submissions zu finden. Interessant wird es ab Part 2: Historical child sexual abuse data (Gesammelte Daten zu sexuellem Kindesmissbrauch).

2.1 Data extracted from Watchtower Australia files (ab Seite 20)

  • „Seit 1950 hat Watchtower Australia Vorwürfe, Berichte oder Anklagen von sexuellen Kindesmissbrauch gegen 1.006 Mitglieder der Organisation der Zeugen Jehovas in Australien aufgezeichnet.“
  • „Diese aufgezeichneten Vorwürfe, Berichte oder Anklagen beziehen sich auf mindestens 1.800 vermutliche Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch.“
  • „Die Akten zeigten auf, dass 579 von denen, gegen die Vorwürfe gemacht wurden, Kinder sexuell missbraucht zu haben, gestanden haben.“
  • „[…] Die Daten belegen, dass 28 mutmaßliche Vergewaltiger als Älteste oder Dienstamtgehilfen ernannt worden sind, nachdem sie des sexuellen Kindesmissbrauchs beschuldigt worden waren.“

Nur um das nochmal klarzustellen. Diese Daten stammen aus den internen Aufzeichnungen der Watchtower Australia.

Im Anschluss wurden die dokumentierten Missbrauchsfälle mit den Meldungen bei Polizei und Behörden verglichen.

2.2 Data on reporting to police (ab Seite 21)

„Die durchgeführte Analyse der Kommission zeigte, dass von den 1.006 mutmaßlichen Tätern, die des sexuellen Missbrauchs von Kindern beschuldigt worden sind und durch die Watchtower Australia identifiziert worden sind, kein einziger Fall an die Polizei oder einer anderen Behörde übergeben wurde. […]“

1800

vermutliche Opfer – Kinder die von Mitgliedern der Zeugen Jehovas sexuell missbraucht worden sind.

1006

mutmaßliche Täter, die von der Watchtower Australia von 1950 bis 2014 dokumentiert worden sind.

579

davon haben in einem internen Rechtskomitee die Tat gestanden.

0

mutmaßliche Täter wurden an die Polizei oder Behörden übermittelt.

Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch um ein Vielfaches höher. In Deutschland schätzen Experten, dass die Anzahl der nicht gemeldeten Fälle von sexuellem Missbrauch deutschlandweit um ein Zwölffaches höher ist als die Zahl der bekannten Fälle.

Man könnte jetzt behaupten, Pädophilie kommt nur in Australien vor (aktuell rund 68.000 aktive Zeugen Jehovas). Oder man könnte darüber nachdenken, dass Zeugen Jehovas in 240 Ländern der Erde aktiv sind.

Die Entscheidung meiner Frau und mir war eine Gewissensentscheidung. Wir wollten keinen stillen Ausstieg. Wir wollten uns ganz klar davon distanzieren. Wir können es mit unserem Gewissen nicht vereinbaren, weiterhin Teil dieser Organisation zu sein, die sehr offensichtlich die Täter schützt und nicht die Opfer.

In Australien hat sich sehr deutlich das Ausmaß dessen gezeigt, was dabei herumkommt, wenn die Zwei-Zeugen-Regel bei sexuellem Kindesmissbrauch angewandt wird. Das hat nichts Göttliches! Wie viele Täter konnten wiederholt ein Kind sexuell missbrauchen, weil es keinen zweiten Zeugen gab? Wie vielen Kindern hätte dieses Leid erspart bleiben können, wenn sich die Ältesten in Australien an das Gesetz gehalten und eine Meldung gemäß Section 316 of the Crimes Act gemacht hätten, anstatt sich von den Anweisungen der WTG leiten zu lassen?

Ich kenne keine andere religiöse Organisation, die […] Prozesse mit solchen Mängeln besitzt, wie wir sie bei den Zeugen Jehovas identifiziert haben.
Untersuchungsrichter Peter McClellan

Die WTG schreibt in ihren Publikationen, dass die Versammlungen von Jesus Christus angeleitet werden:

[…] Der auferstandene Jesus setzte die ihm unterstellten Engel dazu ein, seine Jünger zu unterstützen. Darüber hinaus veranlasste unser Führer, dass die Versammlung Anleitung erhielt, in dem er für eine leitende Körperschaft aus befähigten Männern sorgte.
Wachtturm 15. März 2002, Seite 13-18

Dafür fehlt mir eindeutig die Vorstellungskraft. Ein Zeuge Jehovas würde hier mitunter argumentieren, dass Jesus sich das „Treiben“ (sexueller Kindesmissbrauch) eine Weile (über 6 Jahrzehnte) anschauen würde und dann alle Taten offenbaren würde, zu seiner Zeit. Ich schrieb, so würde ein Zeuge Jehovas antworten. So hat ein Ältester mir gegenüber tatsächlich argumentiert. Problem ist nur, dass die Anleitung für die Zwei-Zeugen-Regel immer noch Bestand hat. Und wie die Case study 54 vom 10. März 2017 zeigt, auch weiterhin Probleme verursacht, was sexuellen Missbrauch bei Kindern unter Zeugen Jehovas betrifft.

In einem TV-Bericht von CNN stellte man zurecht fest, dass eine Zahl fehlte. Es wird immer darüber berichtet, dass es 1.006 Täter gab und mindestens 1.800 Opfer. Aber keiner weiß bisher, wie oft die Täter sich an den Opfern vergangen haben.

TV-Bericht CNN: Hundreds of Jehovah’s Witnesses accused of sex abuse

In der Zusammenfassung der Royal Commission heißt es, dass die Zwei-Zeugen-Regel eine Gefahr für Kinder in der Organisation der Zeugen Jehovas darstellt. Zudem ist man zu dem Schluss gekommen, dass Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch sich unbeachtet und nicht unterstützt fühlen. Auch werden Mitglieder einer Versammlung nicht vor einem Risiko gewarnt. Was Geoffrey Jackson betrifft, so stellte die Kommission fest, hat er es versäumt, die Aussagen der Opfer zu lesen oder sich damit vertraut zu machen. Dies widerlege sein behauptetes Mitgefühl mit den Überlebenden (F42, F65).

Urteile kann die Royal Commission nicht fällen. Jedoch wurden 514 mutmaßliche Täter an die Behörden weitergeleitet (Case study 54 // Transcript (Day 259): 10 March // Seite 7, ab Zeile 16).