Versteckte Manipulation und deren Wirkung

Auf verschiedensten Webseiten werden Artikel über Zeugen Jehovas zergliedert, kommentiert und kritisch hinterfragt. Jedoch sollte man auch immer wieder selbst eine Analyse durchführen. Ein Schlüssel dazu ist die Reflexion. Einerseits die Eigenreflexion, andererseits auch die Reflexion des Textes. Um dies zu können, muss man schauen, welche gelernten Formulierungen triggern beziehungsweise mit einer weiterführenden Bedeutung verbunden sind.

„Er ist Ältester!“ – ein sehr einfaches Beispiel. Bei diesem Satz wird ein Außenstehender lesen, dass die Person irgendeine Führungsposition innehat. Wie wirkt der Satz jedoch auf einen Zeugen Jehovas? Er erfährt, dass die Person die höchste Funktion innerhalb der Versammlung bekleidet. Hat der Zeuge einen Fehler gegen die Vorgaben der WTG begangen, so kann dies einen Trigger – in dem Fall Schuldgefühle und das Bedürfnis der Beichte – auslösen. Hier wäre die Stelle, an der man die Reflexion starten muss: werde ich dadurch getriggert? Was bedeutet es für mich?

In einigen Foren lese ich immer wieder, dass das begleitete „Dienstamt“ immer noch eine Rolle spielt. Sicher, wer weit in der Hierarchie aufgestiegen ist, wird oft mehr Wissen besitzen, um helfen zu können. Bei einer Vorstellung in diversen Foren gehört dies sicher auch dazu, schließlich ist es ja eine eigene Welt in der wir uns bewegt haben und das Dienstamt beantwortet viele Fragen über den Werdegang. Aber ansonsten, sollte man sich fragen, ob man vielleicht noch immer Trigger mit sich trägt, welche einen den Start in das neue Leben erschweren.

Auch das Verhalten nach dem Ausstieg zeigt zum Teil die alte Mentalität und die antrainierten Verhaltensweisen. Wenn man einige Webseiten verfolgt, so frage ich mich, was die Motivation hinter manchen Aussagen – besonders bei den Kommentaren – ist. Einige betrachten diese Seiten nicht als Angebot und Anregung sondern sehen darin eine Alternative zur Lehre der Zeugen Jehovas und suchen eine neue spirituelle Führung. Andere kommentieren, als ob sie weiterhin Älteste wären und Entscheidungen anderer vorgeben könnten. Sein Leben zu leben, es selbst in die Hand zu nehmen und eine Beeinflussung durch andere zu vermeiden, dieser Schritt gehört zum Ausstieg. Manche betrachten den formellen Ausstieg als das einzig legitime Mittel und versuchen andere dazu zu drängen. Sie fallen dadurch – nach meiner Ansicht – wieder auf eine WTG-Logik herein. Die Mitgliedschaft die laut der WTG für eine Rettung notwendig ist, wird für Aussteiger als einzig wahre Lösung hingestellt. Auch hier könnten wir Ansichten der Vergangenheit ungewollt folgen.

Im englischsprachigen Raum hat sich diese Idealisierung von Aktivisten so weit intensiviert, dass eine Lagerbildung zu beobachten ist. Ohne auf Details einzugehen, greifen sich Aktivisten gegenseitig an und spalten dadurch auch die Leserschaft. An diesem Punkt sollte man sich wiederum fragen, was die Ursache ist. Suche ich einen Guru, folge ich wieder einem Menschen? Bin ich wieder blind und ignoriere berechtigte Kritik? Habe ich die WTG gegen eine andere Person getauscht?

An anderen Stellen gibt man sich immer noch den Regeln geschlagen. Viele von uns kennen sicher die Frage, wen man alles eingebüßt hat. Hierbei könnte man überlegen, ob wir nicht Opfer dieser Beeinflussung geworden sind. Warum? Haben wir wirklich etwas verloren? Wie einen Schlüssel oder einige Münzen? Sind wir nicht viel mehr beraubt worden?

Sicher, es geht nicht um die perfekte Formulierung, jedoch sollte man immer wieder den inneren Spiegel ausklappen und schauen, ob uns nicht irgendwo die grässliche Fratze der WTG entgegengrinst. Habe ich noch „Angst“ oder beschämen mich noch die Begriffe der WTG? Kann ich lachen, wenn ich als „Apostat“, „Abtrünniger“ oder „Küchenhelfer Satans“ bezeichnet werde? Sehe ich den Verlust den der Ausschluss bringt, als etwas was ich nicht akzeptieren muss? Wenn dem nicht so ist, sollte ich mich vielleicht fragen, was die Ursache dafür ist.

Mentale Blockade

Es ist meiner Meinung nach kein Zufall, dass man das Wachtturm-Studium als Frage-und-Antwort-Spiel betreibt. Mit „Gewalt“ lernt man, fremde Antworten als die eigenen zu betrachten: Vorbereitung (Lesen, Antwort suchen) und die Wiederholung in der Versammlung (Lesen und vorgelesen bekommen, Frage, vorgegebene Antwort; darüber reden was man an der vorgegebenen Antwort gut findet) – ein fast meditativer Singsang welcher sich Woche für Woche wiederholt und mit der Zeit die Grenze zwischen eigener und vorgegebener Meinung egalisiert. Hier werden die Trigger im Gruppenrausch der Belehrung immer wieder etabliert, gesetzt, gefestigt und gereizt.

Diese gelernten Floskeln werden nach dem Erlernen immer wieder eingesetzt, auch wenn jemand untätig wird und erkannt hat, dass man manipuliert wurde. Darum bringen Broschüren wie Komm zurück zu Jehova so wenig. Die plumpen Vorwürfe die in diesen Broschüren gemacht werden, triggern viele nicht mehr. Persönliche Kontakte amüsieren gelegentlich, da man die Antworten und Aussagen zu Kritik oft schon kennt: „Für mich klingt das wie Informationen von Abtrünnigen.“ Oder: „Auch wenn es diese Fehler gibt, es sind sicher Einzelfälle.“ Man sieht die mentale Blockade kommen. Mit der Entscheidung zwischen der roten oder blauen Pille (siehe Matrix), entscheidet man sich auch gegen oder für diese Floskeln.

“Das ist deine letzte Chance. Danach gibt es kein zurück. Nimm die blaue Pille — die Geschichte endet, du wachst in deinem Bett auf und glaubst was du auch immer glauben willst. Nimm die rote Pille — du bleibst hier im Wunderland und ich werde dir zeigen wie tief das Kaninchenloch reicht.” – Aus dem Film Matrix (1999)

Geistig Gefangene der WTG können daher die Wirkungslosigkeit ihrer Worte nicht erkennen. Dies kann man entsprechend weitertreiben. Sobald man einen Artikel in den Zeitschriften liest, wird man eben diese Begrifflichkeiten finden, welche als Trigger fungieren sollen. In meinem Prozess des „Erwachens“ stellte ich mir 3 Ziele:

  1. Mentales Entgiften
  2. Ohne Hass gehen
  3. Wirklich sicher sein, dass es nicht die „Wahrheit“ ist

Mentales Entgiften

Hier taucht wieder ein absoluter Trigger auf: „Wahrheit“

Im Laufe meines Weges wurde die „Wahrheit“ für mich etwas, was eine Marke war. Zeugen könnten ebenso eine Getränkemarke haben, ein Bier namens „Wahrheit“. Es ist einfach ein Begriff, welcher seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat. Jedoch, im Kontext der ganzen Überzeugung, war die „Wahrheit“ ein zentraler Trigger der auf uns wirkte. Sätze wie „Wie lange bist du schon in der Wahrheit?“, „Wie kamst du zur Wahrheit?“ verfolgten uns immer. Sie veranlassten uns, dieses Gift namens „Wahrheit“ immer tiefer in uns dringen zu lassen. WIR waren ja richtig. WIR hatten die „Wahrheit“. WIR waren die Elite mit der „Wahrheit“.

Hat man sich erst einmal mit der Systematik der Beeinflussung beschäftigt (Ich empfehle dazu u.a. Stephen Hassans Buch Freiheit des Geistes und George Orwells 1984), dann sieht man vermutlich die Antwort auf Fragen die immer wieder auftauchen:

  • Warum ich?
  • Wie könnte ich darauf hereinfallen?
  • Wie können Menschen denn Opfer von destruktiven Gruppen werden?
  • Sind sie dumm?

Zeugen Jehovas werden Schritt für Schritt in eine Falle gelockt. Es werden Situationen ausgenutzt, die Familie wird missbraucht, sie in diese Gruppen hineinzuziehen und der Ausweg wird versperrt. Dieser Bereich trieft dann nur vor Doppeldeutigkeiten und Triggern.

„XYZ hat die Gemeinschaft verlassen!“ Wenn man kein Mitglied eines Kaninchenzüchtervereins mehr ist, so sagt der Satz sehr wenig, außer dass Kaninchen nicht mehr ganz so wichtig sind. Doch als Zeuge in der Zuhörerschaft, wirkt einer der heftigsten Trigger. Es fühlt sich an, als ob jemand verstorben ist. Passend dazu setzt dieser Trigger gleich eine Reihenfolge von Verhaltensweisen in Gang, um diese Person zu ächten. Außenstehende können dies oft nicht verstehen, da sie die Mitgliedschaft bei den Zeugen mit der in einem Kaninchenzüchterverein gleichsetzen.

Diese kurze Aussage wurde so massiv mit Triggern versehen, dass sie uns heute noch ein flaues Gefühl bereiten kann, wenn wir dies lesen. Auch hier stellt sich die Frage, warum? Ist es altes Gift? Wenn man seine Sinne schärft und versucht, sich diesen Triggern zu stellen, so gehen nicht alle weg. Man hat diese Jahrzehnte lang antrainiert, es wäre illusorisch diese wie einen Rucksack in die Ecke stellen zu können. Jedoch, wenn ich meinen Rucksack genau kenne, dann kann ich ihn tragen und immer mal etwas auspacken.

Ohne Hass gehen

Wie weiter oben geschrieben, sind wir Opfer eines Diebstahls. Oft, als Kinder getäuscht, um unsere Jugend gebracht, wachen wir als Erwachsene auf und schauen auf eine gebrochene Biografie. Freunde die geraubt wurden, andere die wir wegen der Regeln vielleicht selbst verraten haben, Dinge die uns so von normalen Jugendlichen unterscheiden. Voller Trauer schauen wir auf Verpasstes, Geraubtes und Verlorenes.

Auch ich schaue auf ebenso eine Geschichte. Doch denke ich, dass die WTG unseren Hass nicht wert ist und diesen bewusst erzeugt, um uns das zweite Mal im Leben zu beherrschen und zu instrumentalisieren. Vielleicht erinnern sich einige Leser hier an die Personen welche mit Megafon und schlechten Transparenten vor den Kongressen warteten. Alle Klischees waren erfüllt. (Ich will an dieser Stelle keine Form des Aktivismus als falsch hinstellen, es geht mir nur um die Wirkung, welche es meiner Meinung nach hat.) Schaut man sich dann die Veröffentlichungen der WTG an, so schließt sich ein Kreis – Zeugen werden getriggert und man dient damit der WTG und löst sofort eine Blockade aus.

Die aktuelle Entwicklung sieht man in den neueren Zeitschriften: die WTG warnt immer mehr vor konstruktiven Diskussionen – denn dagegen sind Trigger viel schwerer nutzbar.

Daneben betrachte ich den Hass oder die Wut als eine Gefahr, wenn man helfen will. Solange unsere Tür offen steht, haben unsere Freunde die Möglichkeit, mit uns Kontakt aufzunehmen. Dazu müssen wir aber Frieden finden und verstehen, dass auch sie keine Täter sind. Auch sie wurden unserer Freundschaft beraubt, betrogen durch eine skrupellose Führung. Ich hoffe eines Tages, dass wir alle sehen dürfen, wie Freunde den Weg in die Freiheit finden. Wissend um die Schmerzen, welche wir haben und hatten, sind wir es, die ihnen helfen können. An dieser Stelle könnte sie die Wut wieder zurück in die Arme der WTG treiben.

Persönlich habe ich viele Jahrzehnte gerichtet. Urteile getroffen, bezüglich der Lebensführung, des Ausschlusses, der Weltsicht, betreffs Äußerlichkeiten und vieler anderer Dinge – so wie es die WTG forderte. Dies will ich nicht mehr. Meine Tür steht offen, ich habe meinen Frieden gefunden. Ich benötige keine große Entschuldigung – warum auch? Ich weiß wie es sich anfühlt, ich kann den Schmerz erahnen. Sicher, es wäre nicht ein Schritt auf NULL, so als ob nichts geschehen wäre. Aber einen ehemaligen Freund – auch wenn das Band der Freundschaft gerissen oder beschädigt ist – in Freiheit zu sehen und ihm vielleicht dabei zu helfen, ist mehr wert als mein bisschen Wut, Hass und Stolz.

Nicht die „Wahrheit“

Die Antwort habe ich sehr schnell für mich gefunden. Dies zu verinnerlichen gelang mir jedoch erst, als ich immer mehr verstand, wie das Lügengebäude aufgebaut war und wie ich Teil des Ganzen wurde, durch gezielte Manipulation.

Heute lese ich die Zeitschriften nur noch, wenn dies für einen Artikel notwendig ist. Dabei sehe ich, wie Bilder und Texte genutzt werden, um mich zu manipulieren. Von Zeit zu Zeit zeigt der innere Spiegel ein ganz kleines Monster das schüchtern grinst und mich triggern will, das ist aber nicht schlimm, ich habe es zuerst gesehen.

Auch sollte man den Mut aufbringen, wirklich am Anfang zu beginnen und seinen Glauben hinterfragen und auch dessen Grundlage – die Bibel. Es geht dabei nicht darum, Atheist zu werden, jedoch sollte man für sich eine Erkenntnis erhalten, was man glaubt. Eine Wahl, welche man gerade als Born-in nie hatte.

Manipulation in Worten versteckt

Kann man diese Manipulation auch in Begriffen der WTG erkennen? Eindeutig. Die Manipulation wird als Form der Entwicklung dargestellt. Phrasen wie „Die neue Persönlichkeit anziehen“, „ein Dienstamt anstreben“ oder „zur Reife vorandrängen“ sind klare Hinweise, dass die folgenden Anweisungen einen Menschen manipulieren sollen.

Teil dieser Manipulation wird der Leser dann, wenn er „Neuen beistehen soll“, „Jüngeren helfen kann, ein Dienstamt anzustreben“ oder in einer anderen Form andere „ermuntern“ soll mehr zu leisten oder sich im Sinne der Gemeinschaft – sprich der Vorgaben der Führung – einbringen soll. Teil des Systems wird man, wenn man auf andere „achten“ soll, sie den Ältesten melden usw., damit wird man selbst als Kontrollorgan aktiv. Diese kleinen Worte und Dinge sollten immer Signale sein, dass man manipuliert wird, einem System zu dienen. Besonders wenn Emotionen angesprochen werden, die Bindung zu Gott als Argument angeführt wird oder anderweitig Druck aufgebaut wird. Schaut man auf diese Punkte, erkennt man nach und nach, wie manipulativ die Zeitschriften, Vorträge und die „Gemeinschaft“ im Allgemeinen sein können.

Die „geistige Entwicklung“ definiert an dieser Stelle kein Erreichen einer neuen spirituellen Ebene, auf dem Weg zur Vervollkommnung, Erleuchtung oder Selbsterkenntnis – in dem Falle einer destruktiven Gemeinschaft wird es so dargestellt, jedoch dient die „geistige Entwicklung“ nur der Führung. Der Einzelne wird parallel dazu viel intensiver in die Leistungsstruktur eingebunden. Die Entwicklung bedeutet gleichzeitig das Aufgeben der Individualität und eigener Interessen im Interesse dieser Entwicklung. Dieser langwierige Prozess ist nur durch eine fortlaufende Indoktrinierung und Manipulation möglich. Dabei ist die Entwicklung wie bei einem Alkoholiker: das, was anfangs guttat – Trost durch die Lehre – wird immer exzessiver konsumiert – man soll als Interessierter die Versammlung besuchen, soziale Integration, Predigtdienst – was dazu führt, dass man sein Weltbild anpasst, seine Ziele ändert und irgendwann den regelmäßigen Konsum benötigt. Doch wie bei allen Drogen beginnt man mit der Zeit, die Dosis zu steigern (mehr Dienst, mehr Mitarbeit, mehr, mehr, mehr) doch es ist nicht wie am Anfang. Die Droge befriedigt nicht mehr in gleicher Weise.

Was beim ersten Rausch noch angenehm ist, hat irgendwann keinen Reiz mehr. Man lebt nur noch für den Pegel. Das Lovebombing wirkt ähnlich. Die Wärme nach den ersten Dosen dieser Droge ist unbeschreiblich, doch bei regelmäßigen Konsum fehlt die Wärme, die Leichtigkeit. Man merkt, dass es wie jede Droge nicht umsonst ist. Irgendwann bedeutet es, dass man immer mehr machen muss um nicht in Vergessenheit zu geraten. Dieser Automatismus wird jedoch wieder durch die Manipulation vertuscht. Das emotionale Schneeballsystem was einem Zeugen anerzogen wird, nimmt man nicht wahr. Steht man selbst am sozialen Rand, so sagen die Zeitschriften logischerweise was? Genau, suche den Fehler bei DIR, und NUR BEI DIR.

Hier schlägt dann wieder die jahrelange Manipulation zu. Die „Wahrheit“ hat keine Fehler, also liegt es an dir. Man kann dieses Thema beliebig fortsetzen, jedoch ist der zentrale Schlüssel, diese Manipulation zu erkennen, sie für sich selbst zu reflektieren und wo möglich – vielleicht auch mit professioneller Hilfe – diesen Reigen zu durchbrechen.

Reaktionen zu diesem Beitrag

  1. Pyra sagt:

    Ein sehr gut geschriebener und durchdachter Text. Um an diesen Punkt zu kommen, an welchem du angekommen bist, bedarf es harter Arbeit an sich selber. Was man aber nicht außer Acht lassen darf, sind die 5-Phasen der trauer, welche man durchlebt wenn man aufwacht. Bei manchen mag das schleichend passieren bei anderen wie auf einen Schlag. Man muss aber an sich arbeiten um nicht in einer Phase stecken zu bleiben. Wie zum Beispiel der Wut oder schlimmer noch der Depression und so den bOrg in die Hände zu spielen.
    Dies ist kein linearer Prozess. Das heißt nicht, dass wenn ich mit „der Wut“ durch bin, auf dem Weg in die Depression ich nicht wieder wütend sein kann. Deshalb finde ich es wie Oliver so wichtig zu fragen, warum glaube ich das nicht mehr, nicht warum glaubt ER es nicht. ICH muss MICH mit MEINEN Zweifeln auseinander setzten und zu einer Conclusio kommen um damit in frieden abschließen zu können. Sonst renne/ rede ich wieder nur jemanden anderen nach, der für mich das denken übernimmt. Aber auch das ist ein hartes Stück arbeit. So etwas wie eine eigene Meinung zu haben klingt einfach – ist es aber nicht. Vor allem nicht wenn man ein ZJ war. Da wird es einem abtrainiert eine eigene Meinung zu haben – dort wird man getriggert. Man wird glaubend gemacht, dass man eine eigene Meinung hat in Wirklichkeit wird sie eingeimpft. Und wie du, Oliver, geschrieben hast, ist es deshalb auch so wichtig diese Trigger zu erkennen, bewusst zu machen und zu überwinden. Es ist nur nervenaufreibend wenn man mit ZJ spricht (sei es Familie oder nicht) und du versuchst mit ihnen sinnvoll zu diskutieren. Sie hauen dann immer nur diese Phrasen raus und die Gespräche drehen sich nur im Kreis. Da kann man dann sehen wie viel tatsächlich eigene Meinung ist und was antrainiert/ indoktriniert.

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    1. Oliver Wolschke sagt:

      Hi Pyra,

      lieben Dank für deinen Kommentar. Ich denke bei jedem Einzelnen verläuft der Prozess der Verarbeitung unterschiedlich, was die Länge und die Phasen betrifft. Es spielen viele Umstände bei diesem Prozess eine Rolle. Beispielsweise, ob ich hineingeboren wurde, ob ich Familie in der Organisation hinter mir lassen musste, wie schnell ich mich im neuen Leben zurechtfinde, usw. Dass es kein linearer Prozess ist, hast du mMn genau richtig formuliert. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Trauer und Wut kommen immer wieder mal hoch. Ich verliere mich manchmal mit Absicht in der Trauer und lese mir die Abschiedsnachrichten von Freunden durch. Einfach weil ich diese Menschen nicht vergessen möchte. Ich finde mich auch in Wut wieder, wenn ich mich mit dem Thema Kindesmissbrauch beschäftige oder lese, wie Familien auseinander gerissen werden. Ich muss lernen, damit umzugehen, dass diese Emotionen mein Leben nicht bestimmen und dabei helfen, die hier im Text genannten Schritte, aus meiner Sicht recht gut. Ich fand den Vergleich dazu auch sehr passend: „Wenn ich meinen Rucksack genau kenne, dann kann ich ihn tragen und immer mal etwas auspacken.“

      Übrigens stammt der Artikel von Sebastian. Ich finde ihn auch sehr gelungen.

    2. Pyra sagt:

      Ahhhhh sry Sebastian. Bitte ersetze „Oliver“ durch „Sebastian“ – wie peinlich.

      Den Vergleich mit dem Rucksack finde super. Den merke ich mir. Ich muss auch noch an so viel arbeiten v.a. daran mich zu beherrschen und eine Diskussion zu beende wo es keinen Sinn macht (um auch meine eigenen Nerven zu schonen). Aber ich schätze solche Berichte und die Community da ich weiß, es geht andern ähnlich wie mir. Danke 🙂

    3. Barbara Kohout sagt:

      So viele hilfreiche Gedanken! Mir gefällt besonders die Unterscheidung zwischen „etwas verlieren, wie einen Schlüssel“ oder etwas „geraubt“ werden. Und ja – die Trigger sind sehr wirkungsvoll, wenn man es versäumt sich deren bewusst zu werden.
      Vielen Dank für diesen anregenden und informativen Beitrag.

  2. Manuela Kowalewsky sagt:

    Hallo Oliver,

    Ich finde Deine Artikel immer wieder gut. Auch ich hatte vier Jahre lang ein bibelstudium und wurde zur Versammlung genötigt und werde jetzt geächtet. Auch ich versuche mich gerade dieser Manipulation zu entziehen. Ich habe diese Gruppendynamik nie verstanden. Trotz allem plagt mich immer wieder mein Gewissen. Wie gesagt: es ist schwer den rucksack in die ecke zu stellen und da auch stehen zu lassen. Aber Übung macht den Meister.

    Mach weiter so.
    Manuela Kowalewsky

    Antworten
    1. Oliver Wolschke sagt:

      Liebe Manuela,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Wie du geschrieben hast, entledigt man sich dessen, was man viele Jahre konsumiert und im Kopf verankert hat, nicht von heute auf morgen. Aber ich freue mich für dich, dass du die Reißleine ziehen konntest. Und wie Sebastian im Artikel beschrieben hat, musst die den Rucksack auch erstmal gar nicht in die Ecke stellen. Trage ihn mit dir rum und nimm immer wieder etwas heraus. Ich wünsche dir dabei viel Erfolg.

      LG Oli

  3. Nati sagt:

    Lieber Oliver
    Danke für Deine Gedanken. Dein Bild aus Matrix hat es mir besonders angetan. Genau so kam ich mir vor einem Jahr vor, als ich die “rote Pille” geschluckt habe und nachgeforscht habe, stundenlang, nächtelang. Ich konnte nicht mehr aufhören. Ich hab damals zu meinem Mann immer wieder gesagt:”ich bin aus der Matrix aufgewacht”. Glücklicherweise gehen wir diesen Weg jetzt zusammen. Und es liegt noch viel vor uns…. wir sind, genau wie Du als ZJ aufgewachsen. Aber ich hab inzwischen so viele liebe Ehemalige kennengelernt, dass es mir das alles leichter macht. Danke für Deine Aufklärungsarbeit. Es ist sehr sehr wichtig, was Du tust.

    LG, Nati

    Antworten
    1. Oliver Wolschke sagt:

      Hey Nati,

      danke dir für deinen Kommentar! Ich freue mich sehr, dass ihr zu zweit den Ausstieg geschafft habt und das ihr liebe Menschen gefunden habt, die euch bei diesem Weg begleiten. Der Vergleich mit der Matrix ist total passend. Das kann man nur nachempfinden, wenn man selbst aufgewacht ist. Ein noch aktiver Zeuge kann nicht verstehen, dass es ab diesem Zeitpunkt unmöglich ist, zurückzukehren.

      LG Oli

  4. Volker J. Blockhaus sagt:

    Sehr informativer Artikel, der korrekt beschreibt, was passiert – vor allem, was nach dem Ausschluss passiert.

    Zitat: „Es fühlt sich an, als ob jemand verstorben ist. Passend dazu setzt dieser Trigger gleich eine Reihenfolge von Verhaltensweisen in Gang, um diese Person zu ächten.“

    Bei mir liegt die Exkommunikation (wegen meines Bekenntnisses zu Jesus) 8 Monate zurück. Mir war bewusst, worauf ich mich einließ. Aber ich hatte keine Vorstellung davon wie es sich anfühlt, wenn man wie ein „Toter“ betrachtet/behandelt wird. Das Ausmaß ist in meinem Fall ziemlich groß, da in meiner Verwandtschaft viele, viele (linientreue) Älteste sind, die mich als ehemaligen Ältesten (30 Jahre lang) als den Abtrünnigen per se betrachten. Es ist emotional nicht so einfach, diese jahrzehntelangen engen Beziehungen (auch im engsten Familienkreis) einfach fahren zu lassen. Aber die Betreffenden verlangen das. Sie sind weder bereit, sich inhaltlich mit dem Thema auseinanderzusetzen noch Kontakt in jeglicher Form zuzulassen: Kein Gespräch, kein Telefonat, kein Blick. E-Mails werden ignoriert und vermutlich ungelesen gelöscht. Wenn sie einem wegen örtlicher Gegebenheiten nicht ausweichen können, schauen sie tangential an einem vorbei oder durch einen durch. Pervers!

    Und trotzdem war es richtig, wozu ich mich entschieden habe. Glücklicherweise gibt es einige wenige, die sich nicht verführen lassen und die Kontakt zulassen. Für mich ist wichtig, meinen Glauben zu stabilisieren. Der o.g. Artikel hebt richtigerweise hervor, dass die Trennung von der Org nicht zum Atheismus führen muss (und es auch nicht sollte). Ich habe festgestellt, dass das persönliche Verhältnis zu unserem himmlischen Vater und zu seinem Sohn, unseren Erlöser, das A und O ist. Wenn dieses Verhältnis stimmt und gepflegt wird, hat die beschriebene Manipulation keine Chance, einen wieder „zu kriegen“. Aber man muss es wirklich pflegen. Und am besten klappt das in der Gemeinschaft, die schlechtestenfalls aus einer weiteren Person besteht: „Wo sich zwei oder drei in meinem Namen versammeln, bin ich in ihrer Mitte“ sicherte unser Herr Jesus Christus zu. Probieren wir es aus, werden wir feststellen, dass es kein leeres Versprechen war. Und in dieser kleinsten denkbaren Form von Gemeinde fällt es leichter, die oben beschriebenen emotionalen Belastungen aufzulösen. Solange dieser eine fehlende Partner noch nicht vorhanden ist, darf man aber getrost auf wirkungsvolle Hilfe von oben vertrauen. Die beiden Höchsten lassen niemand im Stich, der sich ihnen naht.

    Deshalb empfehle ich im Sinne der christlichen Liebe, den Kontakt zu solchen „für tot Erklärten“ aktiv zu suchen, um sich gegenseitig auf dem Weg in die christliche Freiheit zu helfen. Vielleicht könnte man hier auf dieser Seite eine Möglichkeit schaffen, Gleichgesinnte – zunächst einmal per E-Mail – kennenzulernen.

    Herzliche Grüße an alle, die sich befreit haben bzw. dabei sind, es zu tun

    Volker J. Blockhaus

    Antworten
    1. Anni Meyer sagt:

      Das ist richtig. Für die bin ich tod. Das schmerzt unerlässlich. Und ich ertappe mich dabei denen einzelnen Personen keine Schuld daran zu geben. Man hat das Spiel ja selbst lange so mitgespielt. Ich denke ernsthaft über eine Fake Todesanzeige nach. Mit dem Motto; für 8 Millionen bin ich bereits Tod. Um diese Thematik ins Bewusstsein aller Menschen zu bringen. Aber wenn ich ehrlich bin habe ich dafür keine Kraft. Ich fühle mich wie ein kleines Kind, dass mit dem Rohrstock verdroschen wurde. Danke Oliver für deine tolle Internetseite. Ich lese immer darin, wenn es mir schlecht geht.

    2. Volker J. Blockhaus sagt:

      Liebe Anni,
      nach längerer Zeit habe ich mal wieder auf diese Kommentarseite geschaut. Ich habe eine Möglichkeit gefunden, sich aus dieser Isolation zu befreien, ohne sich in eine neue Abhängigkeit zu begeben.
      Wenn Du willst, kannst Du über [email protected] mit mir Kontakt aufnehmen.
      LG Volker

  5. Thomas sagt:

    Hallo,
    der Artikel spricht mein Innerstes nach 2 Jahren „folgsamer Zeuge Jehovas sein“ wirklich an. Manipulieren will gekonnt sein – und das können die Zeugen! „Bist du bei uns, gehörst du zur Gemeinschaft.“ „Als Nachfolger Jesu Christi zeigen wir dir, wie du nun leben musst.“
    Was mich das letzte Jahr nach meinem Austritt immer nur beschäftigt hat, nachdem ich gleich nach meiner Taufe vor 3 Jahren ins eiskalte Wasser gestoßen wurde: Wozu dieser immense Aufwand und die Kosten der „Bibellehrer“ über Jahre ein Mitglied zu werben, zu begleiten und in die Gemeinschaft der Zeugen einzuführen um mir dann das Gefühl zu geben ein absolutes Nichts zu sein? Wenn doch wirklich alles kostenlos ist und die „Aufseher“ kein Gehalt für ihre „Arbeit“ bekommen, warum mich dann auf die unterste Ebene stellen um mich als „schau dort der Neuling“ zu präsentieren? „Ja, der ist ja nun einer von uns, so soll er nun auch gerichtet werden.“ ist die Antwort der Ältesten auf mein Erwartung um Anerkennung für meine Bemühungen und meine Treue. „Streng dich an und versuche bald Dienstamtsgehilfe zu sein. Gib dich immer unterwürfig und danke Gott für deine Privilegien.“ „Schau, dieser junge Bruder ist erst 30 und schon Ältester wie sein Vater.“
    In den Reihen der Sitzbänke sehe ich dann die Streitsucht der Mitglieder und den Konkurrenzdruck. „Ich habe 270 Einladungen verteilt!“ Es wird getratscht wie vor 80 Jahren auf dem Dorf. „Gestern hat die Schwester mich wegen meines Rocks einfach angeschnauzt, dabei geht die geschminkt in den Dienst wie eine vom Strich!“
    „Wir sind die wahren Christen und helfen uns!“. Ich allerdings kam wieder völlig verschwitzt zum Gottesdienst – im frisch gebügelten Hemd – am schönen Königreichsaal an. Warum wird die Schwester von vorne aus der 2. Sitzreihe immer abgeholt und ich muss jedes Mal darum kämpfen? Ich glaube ich laufe lieber – ich meine ich gehe, ich trete aus, ich kann das nicht mehr das ertragen, denn ich habe die Wahrheit gefunden: über die Zeugen. Leider auch das, was passiert, wenn man es wagt die Wahrheit in den Mund zu nehmen oder gar auszutreten… dann geht der Psychoterror erst richtig los. Dann lernst du die Zeugen erst richtig kennen, denn die Maske der „Bruderschaft“ fällt. Und da ist keiner mehr da von deinen alten Freunden, der dir hilft.

    Antworten
  6. Bianca sagt:

    Hallo Oliver,

    ich Schreiber hier nun einen Kommentar, weil ich mir nicht anders zu helfen weiß. Ich war 6 Jahre mit einem Zeugen Jehovas zusammen. Er war lt ihm nicht so ganz streng in der Ausübung. In den letzten paar Wochen beging das Thema „zusammenziehen“ und das Drama nahm seinen lauf. Zunächst wollte er einen Kompromiss schließen und erst heiraten (was für mich in Ordnung war) doch Dann ganz plötzlich nach einigen Wochen beendete er die Beziehung schlagartig, mit dem Argument,das ich ihn niemals in die Versammlung usw begleiten würde und unsere noch nicht vorhandenen Kinder nicht in der „Wahrheit “ aufwachsen würden. (Das hätte ich nicht zugelassen) Nun lese ich sehr viel über die Zeugen und kann einfach nicht verstehen, warum er selber diese Manipulation und die zerstörerische Macht nicht sieht. Er ist lieber ein unglücklicher Zeuge als ein glücklicher Mensch. Kann man ihn noch retten? Kann man diese Manipulation für alle stoppen?

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    1. Carsten sagt:

      Das ist ja das perfide an psycho-mentaler Manipulation: Man denkt, es muss so sein, dieses Leid gehört auf gewisse Weise dazu. Dadurch wird man „geläutert“ und verdient sich so seinen Platz in der „Wahrheit“. Davor schützen und retten kann nur er sich selbst. Denn er braucht dazu die Erkenntnis, dass es anders ist, als er denkt (und glaubt), diese kann ihm niemand abnehmen.
      Ich bin mir sicher, dass er nochmals von „Ältesten“ besucht wurde, als bekannt wurde, dass er eine „weltliche“ heiraten möchte und durch diesen Besuch wieder in die Spur zurückgebracht wurde. Leider durfte ich dies selbst am Beispiel meiner Schwester sehen, die einen Nicht-Zeugen heiraten wollte. Der Druck da seitens der ZJ ist enorm und die Argumente sind exakt die Gleichen wie bei Deinem Ex – Freund.
      Das was Du ansprichst ist aus seiner Sicht wahrscheinlich eine „Prüfung“ und wenn er diese „besteht“ wird Dein Ex – Partner von „Jehova“ in Zukunft auf irgendeine Weise für seine Opfer „entschädigt“, es wird wieder gut gemacht.
      Was ich mich unter anderem (zugebenermassen etwas ironisch) zu der Frage bringt: Wie sieht diese „Wiedergutmachung“ aus? Darf derjenige dann 3 Tage länger ewig leben in diesem „Paradies“? Oder wird er ein Stück vollkommener als Andere, die nicht die gleichen Opfer gebracht haben? Wie sieht diese Wiedergutmachung aus?

      Ein guter ZJ würde jetzt antworten, dass Jehova das schon richtet, schliesslich ist er ja ein „allmächtiger Gott“ und wir Menschen das ihm überlassen sollten…
      Es ist so einfach, in dieser unerwachsenen Haltung, die Verantwortung über sein eigenes Leben abzugeben.
      Wenn man das Ganze aus einer gewissen Distanz, wie aus einem Helikopter, anschaut – und das ist für einen „guten“ ZJ nicht möglich – erst dann erkennt man die sinnbefreiten und manipulativen Elemente darin. Ansonsten ist man zu sehr darin gefangen.
      Der dortige Brainwash und Kontrolle ist wirklich enorm und wie ich eingangs beschrieb, gibt es für ZJ für alles eine Erklärung und Möglichkeit, warum das so sein muss. Und nur wenig von aussen kann dies ändern, wenn überhaupt.
      Wie bei Verschwörungstheoretikern auch, ist jedes Gegenargument eines von „den Bösen“ und bestätigt sie, denn schliesslich kennen ja nur sie die „Wahrheit“.
      Beispiel hierfür: Wissenschaftliches wird gerne als Argument genutzt, wenn es die biblische Schöpfungstheorie unterstützt. Doch stützt ein wissenschaftliches Argument die Evolution, dann hat „Satan dies so beeinflusst“ und ist unwahr.
      Diskussionen oder Argumente auf diesem kindlichen Niveau sind fruchtlos und führen zu nichts.
      Wie Oliver auch in einem seiner Artikel auf dieser Website einfach nachvollziehbar erläuterte, ist der Glaube eines ZJ, die wirkliche „Wahrheit“ zu haben, in sich nicht schlüssig.
      Wenn etwas „wahr“ ist, dann ist es unumstösslich, wie beispielsweise die thermodynamischen Gesetze in der Physik.
      Es kann – um es vorsichtig auszudrücken – nicht DIE einzige „Wahrheit“ sein, wie es die Zeugen sagen.
      Warum sonst sollte eine Organisation, welche die Wahrheit hat, grundlegende Lehren wie die des Gerichtages Gottes oder auch der sog. 144’000 immer wieder anpassen müssen?

      So wahr (im Sinne von korrekt) kann das Ganze mit etwas Nachdenken nicht sein, wenn es immer wieder durch „helleres Licht“ angepasst werden muss. Ganz zu schweigen von der Frage, ob Gott sich dann sicher ist, was er tut, sollte er wirklich der „leitenden Körperschaft“ mitteilen, was das „Licht“ ist. Aber vielleicht will er ja nur die treue Prüfen wie bei Hiob…
      Und von Konstruktivismus (nach Paul Watzlavik) möchte ich jetzt erst gar nicht sprechen.
      Ich bin nach fast 30 Jahren (erste Zusammenkunft mit 8, „Taufe“ mit 16) ebenfalls aus dieser sektenartigen Gemeinschaft ausgestiegen und habe dadurch, wie viele andere, meine gesamte Familie (alles ZJ) und meine besten Freunde zurücklassen müssen. Doch mittlerweile habe ich andere Wege beschritten.
      Nach meinem Weggang habe ich mich psychologisch weitreichend weitergebildet und bin mittlerweile unter anderem systemischer Coach und Berater. In meiner Erfahrung mit den verschiedenen Menschen erlebe ich immer wieder, wie wichtig innere, eigens erschaffene Strukturen und die bedingungslose Liebe sich selbst gegenüber sind. Diese inneren Strukturen geben halt. Das sagt sogar die Bibel : „Liebe Deinen nächsten, wie Dich selbst“.
      Nur ist dies bei ZJ so nicht möglich. Denn würde man dies wirklich tun, dann würde man ganz schnell die von aussen aufgedrückten Strukturen hinterfragen / bezweifeln. Und das will dort keiner, im Gegenteil.
      Was ich auch erleben durfte ist, dass viele Menschen (unabhängig, ob sie in einer Glaubensgemeinschaft sind oder nicht) nach Halt und Strukturen suchen.
      Aber nur wenige haben es bisher geschafft, sich diese in sich selbst zu erschaffen.
      Oft ist es so, dass von aussen angebotene Strukturen dann dankbar angenommen werden, denn einerseits braucht es deutlich weniger Aufwand und andererseits muss man sich nicht selbst erforschen. Oft hält die Angst einen davor ab. Diese Angst, welche man spürt, wenn man entdeckt, dass man keine Strukturen in sich hat und vor dem, was man sehen könnte, wenn man in sich hineinblickt (selbstreflektiert).
      Ich wünsche jedem, dass er diesen schweren, aber ertragreichen Weg lernt zu gehen und den Mut aufbringt, unabhängig von ausse, seine Bedürfnisse zu erkennen und diese wertschätzend, wie auch respektvoll anderen gegenüber sich selbst zu erfüllen.
      Ich zumindest habe diesen Weg beschritten und bin glücklich über das, was ich in mir entdecken konnte.
      Das wünsche ich jedem.

  7. Anonymous sagt:

    Danke für alles, was ich hier zu lesen bekam. Ich kann das alles nur bestätigen. Die Organisation ist die totale Kontrolle und Überwachung.
    Die Liebe Jesu Christi darf dort nicht erkannt und gelebt werden.
    Jesus hat gesagt: “ Alter Wein in alte Schläuche und neuer Wein in neue Schläuche. “
    Das bedeutet für mich :
    Wo kein sprudelnden Leben mehr vorhanden ist, also wo die natürliche , echte und tief empfundene Liebe zu Gott , zu sich selbst und zum Nächsten fehlt, aber diese Menschen trotzdem zusammen bleiben wollen oder müssen, da brauchen diese Menschen die
    Vorschriften, wie sie sich korrekt zu verhalten haben, damit das Zusammenleben mit dem anderen ungeliebten Menschen halbwegs erträglich wird . Diese Belehrung über
    korrekte Verhaltensweisen wird erbracht durch die Wachturmgesellschaft.
    Das heißt : Die Wachturmgesellschaft gibt Hilfestellung dahingehend, wie Menschen es weiterhin miteinander aushalten können in engster Nähe zueinander, obwohl zwischen ihnen die natürliche, von Gott vorgegebene Liebe fehlt.
    Die Wachturmgesellschaft verbietet es, dass Menschen sich auch wieder scheiden lassen dürfen, wenn sie erkannt haben, dass sie sich nicht verstehen und nicht wirklich zusammen passen.
    Durch unseren lieben Jesus kam aber die Befreiung zur wahren und echten Liebe in die Welt, nämlich : Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen. Und Gott verbindet zwei Menschen dadurch, dass sie Liebe füreinander empfinden und das in Freiheit und auf Dauer ohne Beeinflussung von außen.
    Diese lebendige sprudelnde Liebe, die von Gott ausgeht und von einem Menschen für einen anderen Menschen empfunden werden kann, ist der sogenannte “ neue Wein in neuen Schläuchen “ , weil wir hier nämlich keinerlei von außen kommende Gesetzes –
    Belehrungen benötigen, sondern diese Menschen, die natürliche Liebe fuereinander empfinden, von ganz alleine aufeinander achten und aufeinander hören und sich groesste Mühe um einander geben, weil einer den anderen nicht verlieren will.
    Und all diese möglichen wirklich beglückenden Liebesverbindungen werden praktisch durch die rigiden Vorgaben der Wachturmgesellschaft vereitelt bei den Menschen, die zunaechst einen falschen Menschen geheiratet hatten.
    Früher hat die katholische Kirche jedwede Scheidung verurteilt.
    Heute macht das die Wachturmgesellschaft. Dort wird es verboten, eine auf dem Papier bestehende Ehe, in der aber die Liebe fehlt, zu beenden.
    So gesehen wird über jede Ehe ein Gefängnis gestülpt, aus dem es nur wieder ein Entkommen gibt, wenn zumindest einer der beiden die Sünde der
    “ Hurerei “ begeht. Obwohl genau das der Ausdruck von echter, ehrlicher und wahrer Liebe sein kann.
    Das heißt : Die Wachturmgesellschaft trimmt die Menschen dahingehend, nicht ehrlich zu sich selber und anderen sein zu dürfen, nicht zur echten Liebe stehen zu dürfen und eine lieblose Ehe hinter sich lassen zu dürfen.
    Das ist nicht der Geist Jesu Christi und auch nicht der Geist unseres Schöpfers Gott Vater Himmel. Der Wille Gottes besteht darin, dass die von Gott vorgesehene Ehe eine Verbindung sein soll, welche beruht auf der Grundlage von Liebe. Und jeder, der feststellt, daß die Liebe fehlt in der bestehenden Verbindung, derdarf sich trennen und erneut
    nach der echten Liebe suchen.
    Gott hat uns berufen zur Freiheit
    für die echte, natürlich empfundene Liebe.
    Die Wachturmgesellschaft tut so, wie wenn es die echte natürliche Liebe gar nicht gaebe, sondern lediglich andressiertes korrektes
    Verhalten. So werden die Mitglieder der Organisation ja auch angehalten, möglichst nur innerhalb der Organisation zu heiraten. So entstehen „Verstandes Ehen “ und weniger
    Liebes Ehen.
    Aber : „Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm “ , so steht es in der Bibel.
    Aber solche Aussagen der Bibel werden in der Literatur der Wachturmgesellschaft weggelassen. Ebenso die Aussage der Bibel : Und hättet Ihr alles Wissen, alle Erkenntnis und alle Wahrheit, aber hättet der Liebe nicht, so wäre es Alles nichts. Die Liebe erträgt alles und erduldet alles. Die Liebe hört niemals auf. Die Liebe kommt von Gott.
    In der Organisation Jehovas Zeugen bestimmt die Wachturmgesellschaft , wer zu wem welchen Kontakt haben darf. Nur diejenigen Einzelpersonen dürfen Kontakt zueinander haben, die sich alle einheitlich der Wachturmgesellschaft unterstellen, die allesamt daran glauben, daß alle Vorgaben der Wachturmgesellschaft exakt den Willen Gottes kundtun. Dem ist aber nicht so. Die wiederholten
    Abänderungen , die vonseiten der Wachturmgesellschaft vorgenommen werden , belegen das. Wer selber nicht denken mag oder selber nicht denken kann , der kann ja ruhig in der Organisation bleiben, wenn er sich dort wohlfühlt.
    Aber wer selber denken kann und will und wer an einen liebevollen und verständnisvollen Schöpfer Gott und an unseren liebevollen Jesus glaubt, der uns gesagt hat, dass er uns den heiligen Geist sendet, also den Geist Gottes, den Geist der Liebe, der kann sich folglich nicht mehr dem Gesetze
    hagelnden , strafenden Gott des alten Testaments durch die Organisation der Wachturmgesellschaft unterordnen.
    Wer das trotzdem will, der darf das tun. Ebenso dürfen natürlich auch alle in einer lieblosen Ehe bleiben. Aber es sollte niemand glauben, dass das die Forderung Gottes sei.
    Gott hat Jedem Einzelnen ein Gewissen gegeben und seine Gesetze Jedem ins Herz geschrieben. Und wenn er darüber hinaus noch selber im Neuen Testament hauptsächlich alles über unseren lieben Jesus nachliest, der braucht keine
    Literatur der Wachturmgesellschaft.
    Der braucht keine lieblose Bevormundung von dort.
    Wie gesagt : Wer dort keine Probleme hat, der kann ja dort dabei bleiben. Aber wer dort sein Herz und seine Seele und sein bestes Wissen und Gewissen aufgeben soll Probleme damit bekäme, der sollte besser zusehen, sich nicht auf Dauer falscher Vorgaben der Wachturmgesellschaft Organisation ausliefern zu müssen. Ich wünsche allen die Kraft, so zu leben, wie der Geist Gottes durch Jesus Christus es ihm vorgibt. So möge der heilige
    Geist Gottes bei jedem Einzelnen ankommen, so dass jeder entsprechend seiner individuellen göttlichen Bestimmung leben kann.
    Erst auf dieser Grundlage können wir überhaupt erst das erste Gebot erfüllen, welches da heißt : “ Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Verstand und mit ganzer Kraft.“

    Antworten
  8. Kritikdundee sagt:

    Für mich stellt sich nur eine Frage auf. Wenn die Zeugen Jehovas versuchen Menschen zu manipulieren was ist ihre Intention ? Auf was arbeiten sie hin ?
    Was versuchen sie durch die Manipulation zu erreichen ?

    Antworten
    1. Oliver Wolschke sagt:

      Grundsätzlich muss man hier nochmal zwischen den einzelnen Mitgliedern und der Organisation unterscheiden. Auch die Organisation bezweckt meiner Überzeugung nach keine bösen Absichten – ganz im Gegenteil, aus ihrer Sicht sind die Methoden ethisch und moralisch absolut korrekt. Jedoch gemäß einer Ansicht, die nicht der Realität entspricht. Die Organisation versucht ihre „Schäfchen“ und sich selbst zu retten und dabei wenden sie (un)bewusst unethische Methoden an, die ihre Mitglieder in vielen Aspekten des Lebens einschränkt. Und dann spricht man von Manipulation bzw. Bewusstseinskontrolle. Hier ein Artikel, der dies mit den hauseigenen Publikationen belegt: https://www.oliverwolschke.de/das-bite-modell-und-zeugen-jehovas/

      Herzliche Grüße
      Oli

    2. Kritikdundee sagt:

      Wow habe garnicht mit so einer schnellen Antwort gerechnet.
      Vielen dank für deine Mühe und für den link ich werde mich mal rein lesen.

      Mfg kritikdundee

  9. Fritzi sagt:

    Hallo Oliver,
    ich bin durch reinen Zufall auf Deinen Blog gestoßen. Was ich bisher gelesen habe, fand ich sehr interessant.
    Ich wurde in den Glauben der Zeugen Jehovas hineingeboren, beide Elternteile waren Z.J. ; meine Erziehung demgemäß sehr streng.
    Trotzdem habe ich beide sehr geliebt.
    Mein Ausstieg war vorherzusehen, heute weiß ich das, weil ich nie richtig hinter dieser Religion gestanden habe. Es war mehr das Bedürfnis, meinen Eltern den Gefallen zu tun bzw. von Ihnen geliebt zu werden.
    Doch schon als junges Mädchen und erst recht als junge Frau habe ich Denunzianten (vielleicht nicht das richtige Wort?) verachtet und genau das wird propagiert bei den Z.J., jeder bespitzelt und überwacht einen jeden, einige mehr, andere weniger und es hat mich angewidert, auch bevor es zu meinem Ausschluß kam. Genauso wenig konnte ich mich mit der Ausgrenzung von Ausgeschlossenen anfreunden, ein für mich immer schon unglaubliches, liebloses und für mich auch unchristliches Verhalten.
    Schon als kleines Mädchen habe ich Weihnachten geliebt, habe als Kind viel bei meiner Freundin rumgehangen, wenn der Weihnachtsbaum aufgestellt wurde. Das passte meinen Eltern nicht wirklich, aber ich glaube, sie hatten Angst mich zu sehr zu isolieren, da rundherum kaum gleichaltrige Kinder da waren, ich war sehr schüchtern.
    Ich habe nachgeplappert, was mir von meinen Eltern erzieherisch mitgeteilt wurde. Ich wurde verdroschen, wenn ich in den Zusammenkünften nicht still gesessen habe, weil mir langweilig war. Ich durfte nie einen Kindergarten besuchen, durfte nicht im Schulchor mitsingen, ich durfte an keiner Klassenreise teilnehmen. Die Liste der Verbote ist endlos.
    Je älter ich wurde, desto mehr habe ich mich von den Z.J. zurückgezogen, habe mir Freunde in der „Welt“ gesucht, habe geraucht und mich gegen so vieles aufgelehnt, was wiederum in cholerischen Ausbrüchen meines Vaters endete.
    Letztendlich habe ich einen Mann, der nicht in der „Wahrheit“ war geheiratet, ich weiß heute, ich hatte einfach Angst, dass meine Eltern mich verstoßen, wenn ich ohne Trauschein mit diesem Mann zusammen leben würde. Logischer Schluß, ich wurde nach einigen Jahren geschieden. Daraufhin bin ich Jahre später wiederholt eine Ehe eingegangen, der Grund war ähnlich, die Angst meine Eltern zu verlieren. Auch diese ging schief.
    Ich erzähle das, weil es dabei um eine unglaubliche Angst und auch Abhängigkeit geht, mit der man sich auseinander setzen muss und das habe ich durch eine intensive Psychotherapie getan.
    Es ist wichtig sich selber lieben zu können! Man muss lernen gewisse verinnerlichte, eingetrichterte Glaubensätze und Verhaltensweisen zu hinterfragen. Erst nach dieser Therapie bin ich angefangen, und habe mich mit mit anders denkenden der Z.J. auseinandergesetzt, ich habe in einigen Foren gelesen, ich habe das Buch von Herrn Franz gelesen. Bis dato war ich immer noch in dem Modus, dass ist Verrat, wenn Du auch nur etwas anderes liest als die WTG vorschreibt.
    Ja, kritisches Denken musste ich erst lernen! genau lesen, genau hinhören und sich fragen, warum darf ich „negative“ Dinge über die WTG nicht in Erfahrung bringen, warum können, diese Menschen keine andere Meinung zu lassen?
    Es ist die jahrelange Manipulation, die Verinnerlichung von den „Wahrheiten“ der J.Z.
    Heute bin ich 57 Jahre alt und habe einen langen, langen Weg hinter mir und der ist noch nicht zu Ende bzgl. dem Lernen, kritisch zu denken und sich weiter zu entwickeln.
    Nur in einem bin nicht ganz einig mit dir. Bestimmt gibt es Menschen bei den Z.J., die meinen, dass richtige zu tun, aber einige wollen Macht -und finden dort die Möglichkeit- über andere haben, brauchen Unterwerfung, genauso wie es die Menschen gibt, die das Denken, weil so bequem auch gerne den anderen überlassen oder einfach irgendwo dazu gehörten wollen. Z.J. sind Opfer und Täter gleichsam.
    Ich bin kein Intellektueller, daher ist meine Ausdrucksweise eher einfach.

    Antworten
  10. Chris sagt:

    Hi Oliver,
    hab deine Seite eigentlich nur durch Zufall gefunden, finde die sachliche Aufbereitung der Themen richtig gut.
    Meine Eltern wurden damals, als ich sechs Jahre alt war auch von „der Wahrheit“ überzeugt, und ich durfte dann natürlich auch mit meinem Bruder immer zu den Zusammenkünften mitgehen. Das ganze war vor 26 Jahren, mittlerweile bin ich selber 30.
    Als 6jähriger macht man sich über Religion noch keine Gedanken und man ist halt immer brav mitgegangen.
    Als dann aber In der Schule dann die ersten Geburtstage anstanden, fing – aus meiner Sicht – die Zerstörung meiner Kindheit an. Ich durfte zwar zu den Geburtstagen meiner Freunde hingehen, jedoch blieb es mir verwehrt, meinen eigenen zu feiern. Ostern gab es auch nicht mehr, Weihnachten kannte man nicht mehr.
    Bis zu meinem zehnten Lebensjahr war das alles nicht soo schlimm, es wurde ja einem gelehrt, dass diese Dinge schlecht sind, und man hat diese Umstände akzeptiert. Spätestens in der Pubertät fingen bei mir dann die richtigen Probleme an. Man merkte, dass andere schlecht über die Zeugen reden, und ich für meinen Teil hab das auch niemals öffentlich zugegeben, sondern wollte das Risiko nicht eingehen, Freunde dadurch zu verlieren. Da ich generell ein sehr einfühlsamer Mensch bin, hat mich dieser Umstand immer weiter in die Selbstisolation getrieben. Ich wollte micb nicht zu viel mit anderen Leuten treffen, da ich Gefahr laufen könnte, einen Fehler zu machen, und meine Freunde zu verlieren. Klar, ich hatte Freunde, aber wie zu erwarten, waren diese selbst Zeugen.

    Mit 15 stand der Sschulwechsel in die HTL an. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich persönlich nicht mehr viel mit den Zeugen zu tun haben. Meine Mutter hat das gemerkt, und ein Studium mit einem „Bruder“ vorgeschlagen. Da hab ich eingewilligt, da ich meine Mutter nicht enttäuschen wollte, das ging aber auch nur 3 Wochen, dann bin ich da auch nicht mehr hin.

    Im Prinzip gabs in der Zeit bis vor ein paar Wochen dann nicht wirklich viel Kontakt mehr zu den Zeugen. Mein Verhältnis zu meinen Eltern blieb immer stabil,, was nicht jeder von sich behaupten kann.

    Diese Zeit in meiner Jugend hat aber definitiv ihre Spuren hinterlassen.
    Mir fällt es schwer, neue Menschen kennenzulernen, mein Freundeskreis besteht zum Großteil nur aus aktuellen Arbeitskollegen. Ich hab nie wirklich gelernt, wie man Freundschaften schließt, und diese pflegt. Diese waren damals ja automatisch da, und man musste nix dafür tun.
    Dementsprechend schwer war es auch, eine Beziehung zu finden, wobei das einmal geklappt hat, aber auch zerbrochen ist. Während dieser Beziehung durfte ich dann auch das erste mal Weihnachten richtig erleben. Man stelle sich mal vor, wie deplatziert man sich als 24jähriger fühlt, wenn man Weihnachten zuvor noch nie erlebt hat, und es die eigene Freundin aus der in der Jugend angeeigneten verlustangst das nichtmal weiß.
    Auch die damalige Selbstabschottung hat ihr übriges dazu beigetragen.
    Kritisch denken gab es bei mir nicht, egal was mir gesagt wurde, ich habe alles immer akzeptiert, egal ob Privatleben oder Arbeit.
    Irgendwann ging das aber nicht mehr, dann kamen die Gefühlausbrüche, wo ich regelrecht gewütet habe. Diese waren aber auch der erste Schritt in die richtige Richtung. Ich wurde langsam wieder offener und lernte in langsamen Schritten, wie ich meine eigenen Meinungen vertreten konnte.
    Eine richtigen Geburtstag hatte ich bis hierhin auch noch nie gefeiert.
    Zu diesem Zeitpunkt bin ich auch bei dem Punkt angekommen, wo ich mir sage, dass ich keine Religion brauche.

    Mittlerweile hab ich seit ca 2 Jahren aus meiner Sicht die erste wirklich richtige Freundschaft zu meiner besten Freundin, über die ich sehr dankbar bin. Sie ist für mich der erste Mensch, mit dem ich über alles reden kann, ohne einen direkten Bezug zu den Zeugen zu haben.

    Jetzt kommen wir beim heute an. Der Grund warum ich wieder aktiver nach Material suche ist jener, da meine Mutter – nach einer halbherzigen Glaubensauszeit – wieder zur „Wahrheit“ gefunden hat.
    Das ganze fing dann wieder ganz harmlos an mit, meine Mutter möchte keine Geburtstage mehr. Es folgten kleine Geschenke mit einem Brief, kurz zusammengefasst: Es ist in meiner Kindheit sicher einiges falsch gelaufen, ich möge Gott doch nochmal eine Chance geben.
    Dann gings weiter. Wenn ich meine Mutter besuchte, wurde ab und an versucht, das Thema aufzugreifen und mich dazu zu bringen, mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen.
    Einmal wurde da draus eine richtige emotionale Diskussion, wo ich das erste mal erzählt habe, wie ich denke, dass die Zugehörigkeit zu den Zeugen meine Kindheit geprägt hat. Am meisten schockiert hat mich an der Stelle, dass meine Mutter es wieder genauso machen würde.

    Coronaabedingt kann ich teilweise auch homeoffice machen, und ab und zu bietet es sich auch an, bei meiner Mutter zu arbeiten. Einmal hab ich da einen Gedankenaustausch zwischen meheren Mitgliedern mitereleben dürfen. Erschreckend wie da über die Weltanschauung geredet wurde.
    Meine Schwester wurde nahegelegt, darauf zu achten, auf welche Themen eine ihrer Freundinnen besonders sensibel reagiert, und diese Themen solle man daansprechen, um ihr den Zugang zu der „Wahrheit“ leichter zu machen. Ich saß da und dachte mir nur, manipulativer geht’s doch gar nicht. Auch mit mir wurde das Thema erneut angerissen, diesmal habe ich aber in einem freundlichen Ton darauf hingewiesen, man möge mich in Zukunft mit diesem Thema in ruhe lassen.
    Ein anderes mal fragte mich meine Mutter nochmal, welche Frage ich denn Gott stellen würde, wenn ich jetzt vor ihm stehen würde. Ich konnte die Frage nicht beantworten. Na gut, ,dann solle ich mir bis zum nächsten mal Gedanken drüber machen.

    Zugegeben, was da anscheinend versucht wurde, ist mir auch erst vor 2 Tagen in den Sinn gekommen, als ich die Anschlussfrage bekam, ob ich mir denn Gedanken darüber gemacht habe. Es entfachte wieder eine kleine Diskussion mit meiner Mutter und Schwester.
    Mir wurde gesagt, Gott öffne mir die Tür, ich muss nur hindurchtreten.
    Nicht haltbare Vergleiche ala, „Angenommen ich kenne meinen leiblichen Vater nicht, möchte diesen aber kennenleren, dann muss ich diesen aktiv suchen“.
    Ich wäre doch so egoistisch, dass ich dem Wunsch meiner Mutter nicht nachkommen würde, Gott eine chance zu geben.
    Da hats mir gereicht und mein letzter Kommentar zu dem Thema war, falls es nochmal aufkommen sollte, pack ich wortlos meine Sachen und bin wieder weg.

    Das war jetzt wirklich viel Text, der ggf nicht immer chronologisch korrekt ist, wurde viel zwischenergänzt, aber so gings mir persönlich mit dem ganzen Thema, und ich merke auch durchaus heute noch Nachwirkungen des ganzen.

    Antworten

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