Jahres-Hauptversammlung 2017: Wachtturm-Gesellschaft gibt Änderungen für 2018 bekannt

Am Wochenende des 7. Oktobers 2017 fand die alljährliche Jahreshauptversammlung der Zeugen Jehovas statt. Wie jedes Jahr gab die Leitende Körperschaft organisatorische Änderungen sowie Veränderungen in den Glaubenslehren bekannt. Zur Hauptversammlung wurden alle Versammlungen in den USA, die über die technische Ausrüstung verfügen, eingeladen, dieser über einen Videostream beizuwohnen.

Es ist zu erwarten, dass die Aufzeichnungen wie gewohnt auf JW Broadcasting erscheinen. In den Gemeinden der Zeugen Jehovas wurden die wichtigsten Änderungen bereits bekanntgegeben. Da die Versammlungen öffentlich abgehalten werden, konnte ich mir im Vorfeld einen ersten Eindruck verschaffen.

Es wurden zwei Briefe vorgelesen. Der Erste bezieht sich auf die Mitgliederversammlung:

Reduzierung der Veröffentlichungen

Es soll nun mehr der Fokus darauf gelegt werden, Bibelstudien zu beginnen und die Menge des Stoffs zu verringern, die Zeugen Jehovas lesen müssen. Deshalb werden die Ausgaben des Wachtturms für die Öffentlichkeit und des Erwachets! nur noch je drei Mal im Jahr erscheinen, anstatt wie bisher sechs Mal. Bereits vor einigen Jahren hat man den Turnus von monatlich auf zweimonatlich umgestellt. Ein Ältester aus meiner ehemaligen Versammlung hat mir gegenüber die Vermutung geäußert, dass man irgendwann komplett auf diese Zeitschriften verzichten wird.

Der Wachtturm soll ab 2018 jeweils im Januar und Februar angeboten werden. Das Erwachet! im April und März. In den Zeitschriften werden nicht mehr verschiedene Themen behandelt, sondern nur noch ein Hauptthema.

Des Weiteren werden Bücher, Broschüren, Traktate, Videos und Kontaktkarten reduziert. Es wird eine Toolbox für den Predigtdienst geben, in der Veröffentlichungen, die sich als „wirkungsvoll“ erwiesen haben, hinterlegt werden. Ab Januar 2018 gibt es auch kein festes Literaturangebot mehr. Es soll mehr Nachdruck darauf gelegt werden, Gespräche zu beginnen und fortzuführen. Das zeigt sich auch im Arbeitsheft von Januar 2018. Bisher wurden im Arbeitsheft zwei Vorschläge in Verbindung mit einem Literaturangebot abgedruckt. In Zukunft werden nur noch Themen für Gespräche vorgeschlagen, sowie weiterführende Ideen für einen Rückbesuch. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass Verkündiger selbst entscheiden sollen, was sie aus der Toolbox anbieten und zu welchem Zeitpunkt sie dies tun möchten. Man möchte wohl unterbinden, dass wahllos Publikationen verteilt werden, was zu höheren Druckkosten führt.

Regelmäßige Aktionen zu Kongress – und Gedächstnismahleinladungen gibt es weiterhin.

Ein neues Buch erscheint mit dem Titel „Was kann uns die Bibel lehren“. Dieses ersetzt das Buch „Was lehrt die Bibel wirklich“ und soll eine vereinfachte Version des Vorgängers sein. Das Buch „Was lehrt die Bibel wirklich“ wird nicht weiter hergestellt, kann aber weiterhin genutzt werden, bis der Vorrat in den Versammlungen aufgebraucht ist. Des Weiteren gibt es eine vereinfachte Version des Buches „Bewahrt euch in Gottes Liebe“. Das neue Buch ist betitelt „In Gottes Liebe bleiben – wie?“. Vom Vorgänger werden keine weiteren Ausgaben gedruckt.

Das Jahrbuch wird ebenfalls eingestellt. Berichte über die weltweite Tätigkeit werden ausschließlich auf JW Broadcasting erscheinen. Die Statistiken, die bisher im Jahrbuch veröffentlicht wurden, sollen zukünftig nur noch auf der Webseite, in der Rubrik „Über uns“ zu finden sein. Ich bin gespannt, in welchem Umfang diese veröffentlicht werden, und ob die Entwicklungen in den einzelnen Ländern weiterhin abrufbar sind.

Auf der Webseite der Zeugen Jehovas werden drei neue Rubriken hinzukommen. Die Rubriken „Bibelkarten“, „Ideen fürs Familienbibelstudium“, „Bibelgeschichten in Bildern“, „Meine Bibelseite“, „Bilderspaß“, „Kleine Studienprojekte“, „Studienprojekte für ‚Was lehrt die Bibel wirklich‘„, „Arbeitsblätter zu ‚Fragen junger Leute‘“ und die Videoserie „Bei euch nachgefragt“ werden nicht weiter fortgeführt.

Soweit die Veränderungen was die Publikationen betrifft. Im Grunde wird die Sparpolitk der WTG fortgesetzt. Die Veröffentlichungen werden weiter zurückgefahren, selbst die digitalen. Es wird mehr und mehr Wert darauf gelegt, dass bei der Missionierung mit der Abgabe von Druckerzeugnissen sparsam umgegangen wird. Der Fokus wird immer mehr auf die Webseite verlagert. Während sich die Organisation damit hervortut, Publikationen in mehr als 800 Sprachen anzubieten, muss man sich fragen, wie Menschen in Ländern darauf zugreifen sollen, die sich kein Smartphone oder Tablet leisten können oder für einen Internetzugang mehrere Kilometer zur nächstgelegenen Bibliothek zurücklegen müssen. In Russland ist der Zugriff auf die Webseite der Zeugen Jehovas sogar komplett gesperrt worden.


Während der Jahreshauptversammlung in Warwick, sind noch eine Reihe weiterer Änderungen bekannt gegeben worden:

  • Jahrestext für 2018: „doch die auf Jehova hoffen, werden neue Kraft gewinnen“ (Jesaja 40:31)
  • Das Verbot, die Rechtfertigung des Namens Jehovas zu verkünden, wird aufgehoben.
  • Das geistige Paradies ist ein innerer Zustand.
  • Hesekiels Tempelvision erfüllte sich 1919.

Bei den letzten drei Ankündigungen ist noch unklar was diese im Detail bedeuten. Weitere Einzelheiten hierzu werden sicher in den nächsten Wochen und Monaten in den Publikationen der Wachtturm-Gesellschaft zu finden sein.

Im Nachgang wurde ein weiterer Brief vorgelesen, der sich auf die Spenden für das Jahr 2018 bezog.

Spenden nicht mehr freiwillig?

Zunächst bedankt sich die Organisation in diesem Brief für die großzügige finanzielle Unterstützung der Mitglieder. Die regelmäßigen freiwilligen Spenden sollen Jehova Gott erfreuen, so heißt es. Man kenne den Wunsch der Verkündiger, die Organisation finanziell zu unterstützen, und deshalb(!) möchte man auf die „weltweite Schadenshilfe für das Dienstjahr 2018“ aufmerksam machen.

Unter dem Begriff Schadenshilfe möchte man Schäden an den Immobilien der WTG vorbeugen, die durch Vandalismus, Naturkatastrophen, Feuer, Wasser oder Diebstahl entstanden sind. Diese Vorgehensweise soll auf den Grundsatz aus 2. Korinther 8:14 beruhen.

[…] 14 sondern daß durch einen Ausgleich euer Überfluß gerade jetzt ihrem Mangel abhelfe, damit ihr Überfluß auch eurem Mangel abhelfen möge, so daß es zu einem Ausgleich komme
2. Korinther 8:14

Auf den ersten Blick klingt das vernünftig. Allerdings gibt es für die Mitglieder keinerlei Informationen darüber, wie viel Überfluss oder Mangel die WTG hat und wofür die Spendengelder genutzt werden. Niemand weiß, wie die Gewinne durch die weltweiten Verkäufe von Zweigstellen und Königreichssälen (Gemeinde-Immobilien) verwendet werden. In dem Brief werden die Spenden für das „weltweite Werk“ sowie die Spenden für die Schadenshilfe getrennt. Einen Zeugen Jehovas wird dadurch mitunter vermittelt, dass zusätzlich Gelder benötigt werden. Man hat errechnet, dass die Kosten für Schäden an den Immobilien der WTG in den EURO-Ländern, mit einer freiwilligen Spende von 3 € pro Mitglied, für das Jahr 2018 gedeckt sind. Bei 865.762 Mitgliedern in den EURO-Ländern macht das 2,6 Millionen EURO pro Jahr zusätzlich. Der Brief sagt aus, dass man in den Jahren zuvor diese Gelder aus den „allgemeinen“ Spendeneinnahmen beglichen hat. Anscheinend möchte man auf diesen Topf nicht mehr zurückgreifen. Fairerweise muss man sagen, dass dieser Betrag für sich alleine keine wirkliche finanzielle Mehrbelastung für die einzelnen Mitglieder bedeutet. Allerdings wird sukzessive der Druck zum Spenden erhöht. Im Jahr 2017 wurde in den Gemeinden überdurchschnittlich oft auf das Spenden an sich und die Möglichkeiten hierfür hingewiesen. In den Jahrzehnten zuvor hat man sich seitens der WTG auf die Bibel berufen: „Lass die linke Hand nicht wissen was die rechte tut“ oder „Jeder tue so, wie er es in seinem Herzen beschlossen hat“. Mittlerweile möchte man wohl mehr Planungssicherheit haben.

Bereits im Jahr 2014 hat man einen zusätzlichen Spendentopf für die weltweite Bautätigkeit eröffnet. Für diesen sollte jeder seinen freiwilligen Beitrag, anonym auf einen Zettel notieren und den Ältesten übergeben. Es wurde erwartet, dass man dieser Verpflichtung dauerhaft, Monat für Monat nachkommt. Was die „einfachen“ Mitglieder nicht wussten, dass der Brief (29. März 2014) einen Anhang besaß, der nur für die Ältesten bestimmt war. Dort ging es um die Rückzahlungen von Darlehen, die den einzelnen lokalen Gruppen zur Verfügung gestellt wurden um die Gemeinde-Immobilien zu finanzieren. Dieses Darlehen wurde seitens der WTG erlassen. Anstelle dessen sollen die Versammlungen nun monatlich den Gesamtbetrag, den die Verkündiger für die Bautätigkeit, neben den Spenden für das „weltweite Werk“ zur Verfügung stellen, an die WTG überweisen. Der Betrag sollte mindestens so hoch sein, wie die monatliche Rückzahlung des Darlehens. Im Klartext: die Mitglieder zahlen monatlich den Kredit ihrer Gemeinde ab, für eine Immobilie die an die Körperschaft der Zeugen Jehovas überschrieben wurde und ihnen somit gar nicht mehr gehört. Während ein Darlehen irgendwann zurückgezahlt ist, laufen diese Spenden für unbestimmte Zeit weiter.

Im aktuellen Brief hat man auf einen weiteren Bedarf an Spenden hingewiesen: das Flottenprogramm für Kreisaufseher. In den EURO-Ländern werden für das Jahr 2018, 7,50 € pro Mitglied benötigt, um die Kosten für Leasing, Versicherung, Kraftstoff und Service zu decken. Somit belaufen sich die Gesamtkosten für die Leasingfahrzeuge der Kreisaufseher auf rund 6,5 Millionen EURO. Positiv wäre anzumerken, dass ein Teil der Ausgaben, die durch Spenden finanziert werden, nun transparenter sind. Allerdings handelt es sich um Kosten, die es die Jahre zuvor bereits gegeben hat. Trotzdem wird erwartet, dass neben den „allgemeinen“ Spenden , Mitglieder die Kosten, durch einen zusätzlichen Beitrag, mittragen.

Angesichts der aktuellen Negativmeldungen zu den Missbrauchsvorwürfen und den damit verbundenen Zahlungen für Vergleiche und Gerichtskosten, haben diese Aufrufe einen faden Beigeschmack. Neben der vor kurzem eingereichten Sammelklage in Höhe von 66 Millionen Dollar sowie die Schadensersatzzahlung für die Missbrauchsopfer in Australien, ist bekannt geworden, dass die WTG weiterhin täglich 4.000 US DOLLAR Strafe zahlen muss, weil sie relevante Dokumente, in einem Fall des Kindesmissbrauchs, nicht an das Gericht übergeben möchte. Seit Juni 2016 weigert sich die WTG den Forderungen des Gerichts nachzukommen. Seither sind 16 Monate á 30 Tage vergangen. Rund 2 Millionen US Dollar sind bereits gezahlt worden. Ausgaben, die die Wachtturm-Gesellschaft mit Hilfe von Spenden begleicht.

Reaktionen zu diesem Beitrag

  1. Barbara Kohout sagt:

    Hier zeigt sich einmal mehr, dass die Körperschaftsrechte ein unschätzbarer Vorteil sind. Sie beinhalten doch, dass der Staat noch weniger Einblick in die Finanzen nehmen kann. Die innerorganisatorische Autonomie ist ein wirksamer Schutz vor Transparenz.
    Die Verschleierung und rhetorische Glorifizierung der Spendenaufrufe beherrschen sie jedenfalls perfekt.

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