Geoffrey Jackson vor der Australian Royal Commission

In Fallstudie 29 untersuchte die Royal Commission into Institutional Responses to Child Sexual Abuse die Zeugen Jehovas und deren Umgang mit Vorwürfen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Wie auch in all den anderen Fallstudien war es das Ziel der Kommission Verbesserungsvorschläge zu machen, wie solche Fälle besser gehandhabt und vor allem, wie Kinder besser geschützt werden können.

Es wurden bei den Zeugen zwei Fallbeispiele untersucht. Neben den Missbrauchsopfern wurden Älteste und sonstige Funktionäre der Wachtturm-Gesellschaft in Australien, die direkt oder indirekt mit den Fällen zu tun hatten, vorgeladen, um die Verfahrensweisen zu erklären und Stellung zu beziehen.

Da die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas ihre Niederlassung in den USA haben, konnte kein Mitglied dieser vorgeladen werden. Da sich aber ein Mitglied, Geoffrey Jackson, zu dieser Zeit in Australien befand, um seinen kranken Vater zu pflegen, wurde versucht, diesen ebenso zu befragen. Der australische Zweig der Wachtturm-Gesellschaft, sowie die Funktionäre und der Anwalt der Zeugen gaben aber an, dass Jackson zu dieser Thematik gar nichts beitragen könne, da dieser nur mit Übersetzungsangelegenheiten zu tun habe. Dass dies nicht der Wahrheit entsprach kam vor der Kommission ans Licht und so wurde Jackson vorgeladen und seine Befragung wurde per Videokonferenz durchgeführt.

Hier stelle ich ein paar Highlights, die eher Lowlights sind, heraus und gebe meinen Kommentar dazu ab. Da die Befragung in Englisch durchgeführt wurde, habe ich versucht, die Teile, die ich kommentiere, zu übersetzen. Da ich kein Übersetzer von Berufswegen bin, ist meine Übersetzung vielleicht etwas hölzern, aber ich denke, ich habe den Sinn korrekt wiedergegeben. Die Referenzen zum offiziellen Transkript sind angegeben. Dadurch kann sich jeder, der des Englischen mächtig ist, ein eigenes Bild machen. Zudem sind Youtube-Videos zur Aufzeichnung der Aussagen angegeben.

Transkript, Seite 9, Zeile 35

Angus Stewart

Und sehen Sie sich selbst als Jehova Gottes Sprachrohr auf Erden?

Geoffrey Jackson

Ich denke, es würde ziemlich anmaßend erscheinen, zu sagen, dass wir das einzige Sprachrohr sind, das Gott gebraucht. Die Schriften zeigen klar, dass jemand in Einklang mit Gottes Geist Trost und Hilfe in der Versammlung geben kann, aber wenn ich etwas klarstellen darf, zurückkommend auf Matthäus 24, hier sagt Jesus klar, dass in den letzten Tagen – Jehovas Zeugen glauben, dass dies die letzten Tage sind – es einen Sklaven geben würde, eine Gruppe von Personen mit der Verantwortung für geistige Speise zu sorgen. In dieser Hinsicht sehen wir uns diese Rolle ausfüllen.

Als Jackson diese Aussage machte, ging es wie ein Lauffeuer durch die ganzen Ex-Zeugen-Communities, dass Jackson gesagt habe, sie seien nicht der einzige Kanal Gottes. Das stimmt so aber nicht. Er hat die eigentliche Frage gar nicht beantwortet! Die Frage war klar: Betrachtet ihr euch als Gottes Sprachrohr? Die korrekte Antwort wäre ein „Ja“ gewesen. Aber Jackson sagte nur, dass es anmaßend erscheinen würde, wenn dies jemand sage. Mit keiner Silbe hat er die Frage mit Ja, geschweige denn mit Nein beantwortet.

Aber man erkennt schön die Zurückhaltung der Leitenden Körperschaft. Während sie von ihren Gläubigen erwartet für die „Wahrheit“ klar Stellung zu beziehen, koste es was es wolle, zieht sie es vor, klaren Fragen auszuweichen.

Transkript, Seite 17, Zeile 30

Angus Stewart

Also, ich denke einige Beispiele wären vielleicht… zum Beispiel, zum einen die Frage der Blutfraktionen und ob sie im Verbot eine Bluttransfusion zu erhalten, enthalten ist oder nicht.

Geoffrey Jackson

Das stimmt auch, aber wenn ich das erwähnen darf, als Bluttransfusionen das erste mal eingeführt wurden, gab es nicht viele Möglichkeiten bezüglich Blutfraktionen.

Da hat er natürlich recht. Als Bluttransfusionen das erste mal eingeführt wurden – im 17. Jahrhundert – gab es nicht nur nicht viele Möglichkeiten bezüglich Blutfraktionen, sondern gar keine. Die Trennung von Blutplasma in Fraktionen gelang erst 1940. Das Bluttransfusionsverbot bei den Zeugen gab es aber erst ab dem Jahr 1945 – und damit hätten zumindest diese Fraktionen von Anfang an erlaubt sein müssen.

Transkript, Seite 21, Zeile 8

Peter McClellan

Akzeptiert Ihre Kirche körperliche Züchtigung von Kindern?

Geoffrey Jackson

Unsere Kirche akzeptiert die Familieneinrichtung und setzt voraus, dass Eltern in der Verantwortung stehen ihre Kinder zu disziplinieren und groß zu ziehen.

Peter McClellan

Das beantwortet nicht meine Frage. Akzeptieren Sie körperliche Züchtigung?

Geoffrey Jackson

Ich verstehe. Sie werden in unserer Literatur von Zeit zu Zeit sehen, dass wir bemüht sind zu erklären, dass sich “disziplinieren” auf den mentalen Standpunkt bezieht und nicht auf körperliche Züchtigung.

Peter McClellan

Ich sage Ihnen nun, dass Sie immer noch nicht meine Frage beantwortet haben.

Geoffrey Jackson

Oh, tut mir Leid.

Peter McClellan

Akzeptieren Sie körperliche Züchtigung?

Geoffrey Jackson

Nein.

Peter McClellan

Tun Sie nicht?

Geoffrey Jackson

Nicht – nicht persönlich, nein, auch nicht als Organisation – wir ermutigen nicht dazu.

Peter McClellan

Aber verbieten Sie es?

Geoffrey Jackson

Unsere Literatur hat herausgestellt, dass die richtige Art der Kinderdisziplinierung darin besteht zu erklären und nicht körperlich zu züchtigen. Euer Ehren, ich kann Ihnen nur erzählen, was der Geist hinter unseren Schriften ist.

Oh, der Geist hinter dem Geschriebenen zeigt das also. Muss der Geist hinter dem Geschriebenen eingreifen, weil das so nicht in den Publikationen steht? Man muss ihnen zugute halten, dass sie nicht (mehr) direkt schreiben, dass Schläge ein probates Mittel zur Kindererziehung darstellen. Aber schauen wir mal, was vor gar nicht so langer Zeit noch geschrieben wurde:

Eine Rute ist ein Zeichen der Autorität. In Sprüche 13:24 steht sie für die elterliche Autorität. In diesem Zusammenhang bedeutet der Gebrauch der Rute zum Zweck der Züchtigung nicht unbedingt, ein Kind zu schlagen. Damit ist vielmehr das Mittel der Zurechtweisung gemeint, die in unterschiedlichster Form erfolgen kann. Bei dem einen Kind genügt es vielleicht schon, es freundlich zurechtzuweisen, um ein ungehöriges Benehmen abzustellen. Ein anderes Kind muss womöglich strenger getadelt werden.
Wachtturm vom 15. Juli 2004, S. 31

Die Rute bedeutet also nicht unbedingt, ein Kind zu schlagen. Bedingt bedeutet es aber genau das? Ich denke, genau hierauf zielte die Frage des Vorsitzenden ab. Es wird von der Organisation nicht verboten seine Kinder zu schlagen. Und Jackson kann sich nur auf den „Geist“ des Geschriebenen berufen – geschrieben steht das nirgends. Dabei hätte er auch hier einfach Stellung beziehen können: Wir ermutigen nicht dazu, verbieten es aber auch nicht, weil das Sache der Eltern ist. Das wäre der heutige Standpunkt der Zeugen diesbezüglich zusammengefasst. Natürlich stellt sich dann die Frage, warum die Organisation etwas nicht verbietet, was von Gesetzes wegen schon verboten ist (ich denke, Australien ist hier nicht anders als Deutschland) und ich glaube, Jackson wollte das vermeiden.

Im Wachtturm vom 01. November 2006, Seite 5 liest man das hier:

In Bezug auf Bestrafung heißt es in Sprüche 29:15: „Die Rute und Zurechtweisung sind das, was Weisheit gibt.“ Doch nicht alle Kinder brauchen körperliche Bestrafung.

Manche aber schon, Mr. Jackson?

Transkript, Seite 26, Zeile 29

Peter McClellan

Gibt es irgendein biblisches Hindernis, dass eine Bestimmung, eine rechtliche Bestimmung, auch von einem Gremium gemacht werden kann, das Frauen beinhaltet, auch wenn letztendlich Älteste als Entscheider bezüglich dem Wahrheitsgehalt über das, was jemandem widerfahren ist auftreten?

Geoffrey Jackson

Das ist eine gute Frage. Darf ich zunächst etwas erwähnen, euer Ehren – bitte haben Sie hierfür Verständnis. Das Rechtssystem, das Zeugen Jehovas benutzen ist nicht als Konkurrenz zum Strafrechtssystem zu sehen. Wir respektieren dieses und wir meinen, dass die Gesellschaft dieses nutzen sollte. Es wird auch, wenn ich das hervorheben darf, kein Opfer als jemand betrachtet, der vor einem Rechtskomitee stehen müsste. Sie haben nichts falsch gemacht. Sie wurden zum Opfer gemacht. Sie brauchen Hilfe.


Um nun Ihre Frage direkt zu beantworten, Frauen können in diesem sehr sensiblen Bereich involviert werden, aber biblisch gesprochen, die Richterrolle in der Versammlung liegt bei den Männern. Das sagt die Bibel und dem versuchen wir zu folgen.

Wenn das Rechtssystem der Zeugen keine Konkurrenz zum Strafrechtssystem darstellt, wieso lautet dann die Anweisung an die Ältestenschaften nicht: Meldet Vorwürfe von Straftaten den Behörden? Vor allem dann, wenn Kinder betroffen sind? Die Zeugen sind bekannt dafür gerichtlichen Anordnungen nicht nachzukommen. Sie weigerten sich die Datenbank der bei ihnen registrierten potentiellen Missbrauchstäter einem Gericht auszuhändigen. Respekt sieht anders aus!

Frauen sollen in dem ganzen Rechtsverfahren der Zeugen mit involviert sein, wenn andere Frauen und Mädchen zu einem Missbrauch Aussagen machen sollen. Es dürfte für eine Frau und erst recht für ein Mädchen äußerst schwierig sein, Fragen sexueller Natur vor einem rein männlichen Gremium zu beantworten. Eigentlich sollte es genügen, wenn diese Vorwürfe nur in Gegenwart einer oder mehrerer anderer Frauen gemacht werden müssten. Die Fallbeispiele, die von der Royal Commission betrachtet wurden, haben klar gezeigt, dass nicht das gesamte Ausmaß eines Missbrauchs zutage gefördert wurde, eben weil die Missbrauchte vor einem rein männlichen Komitee aussagen musste und deswegen das eine oder andere verschwiegen hatte.

Und zu sagen, die Opfer brauchen Hilfe. Ja, das tun sie in der Tat. Wieso erkennt das die Leitende Körperschaft hier an, hat aber z. B. im Ältestenbuch nur Sympathie für den Täter übrig, verliert dort aber kein Wort über das Opfer und dessen Bedürfnisse? Und das letzte Ältestenbuch ist von 2010, also aktuell! Und später wird noch heraus kommen, dass sich daran nichts geändert hat.

Peter McClellan

Können Sie uns hierfür eine Referenz geben?

Geoffrey Jackson

Ja. In den Schriften —

Peter McClellan

Ich meine, dass Richter nur Männer sein können – nicht Älteste, sondern dass Richter nur Männer sein können.

Geoffrey Jackson

Okay. Ich muss nachschauen – ich denke, 5. Mose ist eines davon, aber bezüglich 1. Timotheus, Kapitel 3 – und ich bin sicher Euer Ehren, dass Sie damit vertraut sind, in Vers 1:

Dieses Wort ist zuverlässig: Wenn jemand nach dem Amt eines Aufsehers strebt, begehrt er vortreffliche Arbeit. Der Aufseher muß daher untadelig sein, Mann e i n e r Ehefrau, mäßig in den Gewohnheiten, gesunden Sinnes, ordentlich, gastfreundlich, lehrfähig, 3 kein lärmender Trinker, kein Schläger, sondern vernünftig, nicht streitsüchtig, nicht geldliebend,4 ein Mann, der seinem eigenen Haushalt in vortrefflicher Weise vorsteht, der die Kinder mit allem Ernst in Unterwürfigkeit hält.

In biblischen Zeiten wurde der Ausdruck für “Ältester” auch für “älteren Mann” gebraucht. Und wenn wir übersetzen – das ist natürlich mein Gebiet – ist es manchmal schwer zu entscheiden, ob nun “Ältester” als eine Position oder “älterer Mann” gemeint ist. Aber es ist definitiv so, wenn sie von Richtern am Tor Israels spricht, dann reden wir von älteren Männern. Aber ich muss mich entschuldigen, Euer Ehren, Sie haben diese Frage gestellt und ich kann Ihnen jetzt nicht die exakte biblische Referenz geben, aber ich werde das gerne noch tun

Peter McClellan

Das würden wir sehr schätzen, denn eine mögliche Modifikation, um das Problem, dass Frauen als Richter bei Vorwürfen von Frauen gegen Männer fehlen, zu beheben, mag darin bestehen, dass Ihr Vorgehen bei einer rechtlichen Bestimmung Frauen mit einschließt. Sie verstehen?

Geoffrey Jackson

Ich verstehe, Euer Ehren, und wir werden Ihnen sicher die Referenzen zukommen lassen.

Das wird sehr schwierig sein und als Jackson später noch einiges zu seiner Aussage schriftlich nachreichte, konnte er letztendlich auch keinen Text nennen, der eine Teilnahme von Frauen kategorisch ausschließen würde. Er konnte sich nur darauf berufen, dass im alten Israel Männer als Richter eingesetzt wurden und zur Zeit der Christen nach wie vor Männer eingesetzt wurden. Es gibt aber keinen Text, der belegen würde, dass Frauen dabei nicht helfen dürften. Außerdem ging es der Kommission letztendlich nicht darum, dass Frauen Richter spielen sollen, sondern dass sie mit involviert werden, damit sich Frauen und Mädchen wohler fühlen, wenn sie beim einen oder anderen ins Detail gehen müssten.

Aber ein Text ist dem Jackson leider entfallen, nämlich Richter 4:4, wo es heißt: „Debora nun, eine Prophetin, die Frau Lappidoths, richtete Israel zu jener besonderen Zeit.“ Es gab also eine Frau, die in Israel richtete. Das sollte doch genügen, um Frauen wenigstens bei der Fallaufnahme mit einzuschließen? Natürlich nicht. Die Zeugen ignorieren diese Tätigkeit Deboras völlig. Im Einsichten-Buch ist sie lediglich eine Prophetin. Dass sie als Richterin ebenso tätig war wird verschwiegen.

In den schriftlichen Kommentaren der Zeugen zu dem gesamten Royal-Commission-Prozess (‚Submissions on behalf of Watchtower Bible and Tract Society of Australia & Others‘ vom 9.11.2015, Punkt 3.23), wollten sie tatsächlich darauf hinaus, dass es keinerlei Evidenz gebe, dass ein rein männliches Gremium irgendwie schlechter agieren würde als eines, das Frauen beinhaltet, und dass es auch keine Evidenz gebe, dass Frauen intellektuell und emotional irgendwie besser seien als Männer. Es geht doch nicht darum, wer besser recht spricht! Es geht um die missbrauchten Personen und deren Gefühlswelt. Dieses wiederholte Ignorieren der Opfer spricht Bände!

Transkript, Seite 37, Zeile 10

Angus Stewart

Nun, darauf möchte ich hinaus. Vielleicht können Sie diese Frage beantworten, welche ist: Gibt es eine biblische Basis für die Verfahrensweise oder Praktik, dass Vorwürfe des sexuellen Kindesmissbrauchs nicht den Behörden gemeldet werden sollen, es sei denn, es wäre gesetzlich gefordert?

Geoffrey Jackson

Danke für die Möglichkeit, dies zu erklären. Ich glaube Mr. Toole hat sehr deutlich herausgestellt, dass, wenn die australische Regierung in allen Staaten eine Meldung verpflichtend machen würde, es für uns viel leichter wäre. Aber sagen wir mal, das spirituelle Dilemma, welches ein Ältester durchdenken muss ist, wie hat er die Information erhalten, die ihm erzählt wurde? Jetzt gibt es hierzu ein biblisches Prinzip im Buch Sprüche, Kapitel 25 – und ich sage nicht, Mr. Stewart, dass irgendeines dieser Prinzipien vor anderen Vorrang hat, aber es ist etwas, das der Älteste mit betrachten müsste. Also, Sprüche 25, Verse 8 bis 10. Das ist auf Seite 905:

Geh nicht hinaus, um übereilt einen Rechtsfall zu führen, damit es nicht fraglich wird, was du auf seinem Höhepunkt tun wirst, wenn dein Mitmensch dich dann demütigt. Führe deine eigene Rechtssache mit deinem Mitmenschen, und offenbare nicht das vertrauliche Gespräch eines anderen, damit der Zuhörende dich nicht beschämt und der von dir [erstattete] schlechte Bericht nicht widerrufen werden kann.

Nun sage ich nicht, Mr. Stewart, dass dies der einzige Faktor ist, aber es ist ein Faktor, mit dem alle Minister der Religionen gerungen haben, wenn es zu solchen Problemen kommt.

Damit wäre die Antwort auf Stewarts Frage ein ‘Nein, es gibt keine Basis’. Die Ältesten führen keinen Rechtsstreit, wenn sie die Behauptung eines Missbrauchsopfers an die Polizei weitergeben. Die Ältesten beschuldigen dadurch auch nicht den Täter. Sie geben lediglich die Beschuldigung des Opfers weiter. Auch auf irgendein “vertrauliches Gespräch” können sie sich nicht ernsthaft berufen – es sind mehrere Älteste involviert, nicht nur von der Ortsversammlung, sondern auch vom Zweig und dort abteilungsübergreifend (Servicedesk und Rechtsabteilung)! Warum darf die Info über ein Verbrechen an den Zweig weitergegeben werden, ohne dass dieser angeblich wichtige Grundsatz verletzt wird, aber nicht an Behörden, die deutlich bessere Möglichkeiten haben zu ermitteln, ob an den Vorwürfen was dran ist?

Transkript, Seite 42, Zeile 1

Angus Stewart

Mr. Jackson, das ist genau der Punkt auf den ich kommen wollte. Sie sind vertraut mit – und vielleicht können wir uns das anschauen – 5. Mose 22:23-27.

Geoffrey Jackson

5. Mose 22:23-27.

Angus Stewart

Das ist auf Seite 304, wo es heißt:

Falls ein Mann bei einer Frau liegend gefunden wird, die einem Besitzer zu eigen ist, dann sollen sie beide zusammen sterben …

Nun lassen Sie mich darauf hinweisen: Ich spreche nicht von der Steinigung, sondern von der Frage nach der Evidenz.

… dann sollen sie beide zusammen sterben, der Mann, der bei der Frau gelegen hat, und die Frau. So sollst du das Böse aus Israel wegschaffen.

Dann heißt es:

Falls es geschehen sollte, daß ein jungfräuliches Mädchen mit einem Mann verlobt ist, und tatsächlich hat ein Mann sie in der Stadt gefunden und sich zu ihr gelegt, so sollt ihr sie beide zum Tor jener Stadt hinausführen und sie mit Steinen bewerfen, und sie sollen sterben, das Mädchen darum, daß sie in der Stadt nicht geschrien hat, und der Mann darum, daß er die Frau seines Mitmenschen erniedrigt hat. So sollst du das, was übel ist, aus deiner Mitte wegschaffen.

Und am nächsten Beispiel bin ich besonders interessiert:

Wenn jedoch der Mann das Mädchen, das verlobt war, auf dem Feld gefunden hat, und der Mann hat sie gepackt und hat bei ihr gelegen, so soll der Mann, der bei ihr gelegen hat, allein sterben, und dem Mädchen sollst du nichts tun. Das Mädchen hat keine Sünde, die den Tod verdient, denn wie wenn sich ein Mann gegen seinen Mitmenschen erhebt und ihn, ja eine Seele, tatsächlich ermordet, so ist es in diesem Fall. Denn auf dem Feld hat er sie gefunden. Das Mädchen, das verlobt war, schrie, aber da war niemand, der ihr zu Hilfe kam.

Der Punkt im letzten Beispiel ist, dass es keinen zweiten Zeugen gab, nicht wahr, denn die Frau ist auf dem Feld, sie schrie, aber es war keiner da, um sie zu retten; stimmen Sie dem zu?

Geoffrey Jackson

Mr. Stewart, dürfte ich das erklären. Sie sehen, ich denke einige Zeugen Jehovas haben bereits ausgesagt, dass der zweite Zeuge in einigen Fällen auch die Umstände sein können. Ich denke, es wurde ein Beispiel genannt —

Angus Stewart

Ich komme noch darauf, Mr. Jackson. Wir werden viel schneller und leichter ans Ziel kommen, wenn wir das Schritt für Schritt besprechen.

Geoffrey Jackson

Okay. Also, die Antwort zu Ihrer Frage —

Angus Stewarts Geduld mit Mr. Jackson ist wohl langsam zu Ende. Jacksons ganzes Herumzappeln und Ablenken macht nicht den Eindruck, als sei er an einer Lösung der Probleme wirklich interessiert, obwohl er mehrfach das Gegenteil behauptet hat und noch behaupten wird.

Angus Stewart

Der aktuelle Schritt ist dieser: Stimmen Sie zu, dass dieses Beispiel ein Fall darstellt, in dem es neben der Frau selbst keinen anderen Zeugen gegeben hat?

Geoffrey Jackson

Es gab keinen anderen Zeugen als die Frau selbst, aber es kommen noch die Umstände hinzu.

Angus Stewart

Ja, nun, die Umstände waren, dass sie im Feld vergewaltigt wurde.

Geoffrey Jackson

Mmm‐hmm. Ja, aber es gab Umstände.

Angus Stewart

Obwohl es nur einen Zeugen gab, war es dennoch genügend für die Schlussfolgerung, dass der Mann zu Tode gesteinigt werden solle.

Geoffrey Jackson

Mmm‐hmm. Ja.

Angus Stewart

Jetzt ist es —

Geoffrey Jackson

Ich denke, wir stimmen in diesem Punkt überein.

Das kann Jackson gar nicht leiden, wenn ihn jemand mit der Nase auf das Offensichtliche stößt – schon gar nicht von einem „Weltlichen“.

Angus Stewart

Ist es nicht so, dass, wenn Jesus zu einem Fall von sexuellem Missbrauch befragt worden wäre, dass er vielleicht auf diesen Teil in 5. Mose verwiesen hätte und gesagt hätte, dass ein zweiter Zeuge nicht notwendig sei?

Geoffrey Jackson

Das würde ich Jesus gerne fragen, ich kann das momentan nicht, hoffentlich in der Zukunft. Aber das ist eine hypothetische Frage, die, wenn wir eine Antwort hätten, dann das stützen könnte, was Sie sagten.

Angus Stewart

Nun, es ist hypothetisch in einem gewissen Sinn, aber worauf ich hinaus will ist, ist die biblische Grundlage – und Sie sind hier der Gelehrte, nicht ich – der Zwei-Zeugen-Regel so solide… oder gibt es keinen Raum für die Leitende Körperschaft anzuerkennen, dass in Fällen von sexuellem Missbrauch diese nicht angewendet werden muss?

Geoffrey Jackson

Nochmal, wenn ich kurz den Fakt erwähnen dürfte, dass wir bereits übereingekommen sind, dass Umstände ebenso als ein Zeuge dienen können.

Angus Stewart

Nun, dazu komme ich noch, aber meine Frage war eine andere. Stellt die biblische Grundlage der Zwei-Zeugen-Regel in Bezug auf Fälle von sexuellem Missbrauch eine angemessene Grundlage dar?

Geoffrey Jackson

Wir glauben, dass sie das tut, aufgrund der Häufigkeit, in dem dieses Prinzip in der Bibel hervorgehoben wird.

Sucht man in der Watchtower Library in der NWT nach „zwei Zeugen“, dann fallen dabei gerade mal vier Texte heraus. Soviel zur Häufigkeit.

Angus Stewart

Sie sind sich natürlich dessen bewusst, dass im Falle von Ehebruch, solange es zwei Zeugen für die Umstände einer Möglichkeit existieren, dies ausreicht.

Geoffrey Jackson

Ja.

Angus Stewart

Also in anderen Worten, es benötigt keine zwei Zeugen für den Akt des Ehebruchs selbst, sondern nur zu den Umständen einer Möglichkeit?

Geoffrey Jackson

Es tut mir Leid, Sie müssten mir das genauer erklären. Ich bin nicht richtig sicher.

Jackson wittert wohl eine Falle und will sicher gehen, dass er nicht etwas bestätigt, was ihm nachher auf die Füße fallen könnte. Natürlich ist es keine Falle, die Stewart Jackson stellen will. Aber was er nun herleitet ist genial. Der Fall der Vergewaltigung auf dem Feld ist an sich schon ein genialer Einfall. Aber nun wird es nochmal ein Stück besser.

Angus Stewart

Ich wollte das abkürzen, aber wir schauen uns das Dokument an. Es ist das gleiche Hütet-die-Herde-Gottes-Buch, welches sich im Tab 120 auf Seite 61 befindet. Sie sehen in – haben Sie Absatz 11?

Geoffrey Jackson

Absatz 11 – ja, habe ich.

Angus Stewart

Dieses Kapitel behandelt auch wie bestimmt werden soll, ob ein Rechtskomitee gebildet werden soll:

Der durch mindesten zwei Zeugen bestätigte Beweis dafür, dass der Beschuldigte unter unpassenden Umstände eine ganze Nacht bei jemand vom anderen Geschlecht (oder bei einer als homosexuell bekannten Person) in derselben Wohnung zugebracht hat.

Das ist die Überschrift. Dann heißt es weiter:

Die Ältesten sollen bei der Einschätzung einer Situation alles gut abwägen, bevor sie entscheiden, ob sie ein Rechtskomitee bilden.

Und im zweiten Punkt heißt es:

Wenn es keine entlastenden Umstände gibt, wird auf der Grundlage starker Indizienbeweise für porneia ein Rechtskomitee gebildet.

Geoffrey Jackson

Mmm‐hmm.

Angus Stewart

Sie sehen am Fuß der Seite ist ein Beispiel eines verheirateten Bruders, der übermäßig viel Zeit mit seiner weiblichen Sekretärin verbringt und zwei Zeilen von unten her heißt es:

Später behauptet er, wegen einer „Geschäftsreise“ über Nacht weg sein zu müssen. Seine Frau misstraut ihm und folgt ihm mit einem Verwandten bis zur Wohnung der Sekretärin.

Sie beobachten, dass die Möglichkeit eines Ehebruchs eingetreten ist. Dann wären diese Zeugen ausreichend, um den Fall festzusetzen. Sehen Sie?

Geoffrey Jackson

Ich sehe es.

Angus Stewart

Also jetzt in Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch sollte es nicht auch so sein, dass ein Zeuge für die Möglichkeit eines erfolgten sexuellen Missbrauchs als zweiter Zeuge ausreichen sollte?

Geoffrey Jackson

Ja, wenn es – wenn es keine – was steht hier?

Und hier hat der Jackson nun den Salat. Während es völlig ausreicht, dass die Möglichkeit eines Ehebruchs bestand, um ein Komitee zu bilden, reicht es aber nicht aus, wenn ein Zeuge das Alleinsein des Beschuldigten mit dem Kind und damit die Möglichkeit eines Missbrauchs bezeugen kann. Denn wenn dem so wäre, würde das Kind ein Zeuge sein und der Umstand der Möglichkeit eines Missbrauchs der zweite Zeuge.

Angus Stewart

„Entschuldigende Umstände“?

Geoffrey Jackson

Unter unpassenden Umständen.

Jetzt kommt die völlig willkürliche Definition, dass die Umstände zusätzlich unpassend sein sollen. Also, ein Bruder ist allein mit einer Frau. Da wird ihm gleich unterstellt, dass es zur Sache geht. Im Ältestenbuch wird es auch als unpassend angesehen, wenn man alleine bei jemanden vom gleichen Geschlecht ist, wenn dieser homosexuell ist. Dabei spielt es keine Rolle ob der Zeuge selbst homosexuell ist – dieses wird ihm einfach unterstellt. Und wie sieht das bei Kindern aus? Es scheint gerade so, als gebe es keine Umstände mit Kindern, die in diesem Kontext als unpassend bezeichnet werden könnten. Da vom Kind selbst keine sexuellen Avancen zu erwarten sind, und es im Falle von Homosexualität auch irrelevant ist, ob der Beschuldigte selbst homosexuell ist, sollte das gleiche bei Kindern gelten: Alleine mit dem Kind gewesen und Missbrauch möglich? Dann sollte es völlig egal sein, ob der Beschuldigte als Pädophiler bereits bekannt ist. Das will man dann wiederum nicht. Die Grenze wird also rein willkürlich gezogen und kann genauso willkürlich an vernünftigere Maßstäbe angepasst werden.

Hütet die Herde Gottes, S. 61, Absatz 11
Angus Stewart

Also würde ein zweiter Zeuge für Indizien oder bestätigende Beweise genügen, um die Zwei-Zeugen-Regel zu erfüllen?

Geoffrey Jackson

Das ist eine sehr allgemeine Frage und ich denke, das müssten wir sorgfältig durchdenken.