Zeugen Jehovas: Soziale Isolation als Mittel zur Kontrolle

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Oft entsteht der Eindruck, dass der Ausschluss das einzig direkte Machtinstrument der Zeugen Jehovas ist. Die „Vorkehrung“, welche einen von seiner Familie, seinen Freunden und damit von all seinen Kontakten trennt. Dies ist deutlich in den Veröffentlichungen zu finden:

Was ist zum Beispiel, wenn jemand aus deiner Familie oder deinem Freundeskreis sündigt, nicht bereut und ausgeschlossen werden muss? Handelst du dann entschieden und stellst den Umgang mit demjenigen ein? Wozu drängt dich dein Herz?
Wachtturm März 2017, S. 20 Abs. 7

Somit gäbe es eine einfache, trennende Vorgehensweise, welche die Isolation des Einzelnen für „Vergehen“ oder eine eigene beziehungsweise kritische Meinung verursacht. Dieser Gedankengang begegnet mir selbst bei vielen ehemaligen und inaktiven Zeugen. Im Umkehrschluss bedeutet es eine große individuelle Freiheit bis in einen Graubereich. Auch würde diese Aussage bedeuten, dass Reue der Schlüssel ist, welcher die Ausgrenzung beeinflusst. Jedwede Form der Reue welche den Ausschluss verhindert, würde daher keinerlei Wirkungen auf das soziale Umfeld haben.

Doch so einfach ist es dann doch nicht. Ein kleiner Hinweis auf ein weiteres Verfahren findet sich im Studien-Wachtturm von November 2016:

Paulus gab die Anweisung: „Haltet diesen bezeichnet und hört auf, Umgang mit ihm zu haben.“ Gleichzeitig gab er den Hinweis, ausgeglichen zu sein und den Betreffenden nicht als Feind zu betrachten (2. Thes. 3:11-15). Heute halten Älteste vielleicht einen warnenden Vortrag, wenn jemand in einem Verhalten verharrt, das die Versammlung negativ beeinflusst, wie die feste Bekanntschaft mit einem Ungläubigen (1. Kor. 7:39). Wie reagierst du auf so einen Vortrag? Angenommen, dir ist der erwähnte Fall bekannt. Stellst du dann den geselligen Umgang mit dem Betreffenden ein? Dein liebevolles Interesse und deine entschiedene Haltung können ihn veranlassen, sein unordentliches Verhalten aufzugeben.
Wachtturm November 2016, S. 12 Abs. 13

Es gibt demnach das fast sagenumwogene, relativ unbekannte – doch praktizierte – Verfahren des „bezeichnet haltens“. An dieser Stelle beginnt eigentlich die Suche, um das ganze Verfahren zu verstehen. Um es zu vereinfachen teile ich es in drei Abschnitte: biblisch, Quellen der WTG und die Zusammenfassung – für alle die den trockenen Teil überspringen wollen.

Biblisch betrachtet

Die WTG schreibt, wie oben angeführt: Paulus gab die Anweisung: „Haltet diesen bezeichnet und hört auf, Umgang mit ihm zu haben.“ Dies ist die einzige Schriftstelle die meist in dieser Form zitiert wird und als Begründung ausreichen soll. Doch sagte das Paulus wirklich in dieser Form?

Wenn aber jemand unserem durch diesen Brief [gesandten] Wort nicht gehorcht, so haltet diesen bezeichnet und hört auf, Umgang mit ihm zu haben, damit er beschämt werde.
2. Thessalonischer 3,14 (NWÜ)

Wieder wird eine Bibelstelle aus dem Zusammenhang zitiert, welche den Sinn der ganzen Behauptung in Frage stellen würde. Darüber hinaus führt die NWÜ selbst in den Fußnoten zwei Dinge an, einmal zur „Bezeichnung“:

Wtl.: „diesen bezeichnet beständig für euch“.

Und als zweiten Punkt, zum Einstellen des Umgangs:

Wtl.: „[und] nicht beständig selbst hinaufzumischen (dazuzumischen) mit ihm“.

Würde man die Bibelstelle mit der legitimen, von der WTG gegebenen Übersetzung ergänzen, so würde es ganz frei ergänzt heißen:

Wenn aber jemand unserem durch diesen Brief [gesandten] Wort nicht gehorcht, so haltet diesen beständig für euch bezeichnet und hört auf, euch beständig zu ihm dazuzumischen, damit er beschämt werde.

Selbst die WTG bietet eine gemäßigte Übersetzung an. Jedoch, so ehrlich muss man sein, auch andere Übersetzungen schreiben über den Gedanken des kompletten Kontaktabbruchs. Dies wird selten in anderen Gemeinschaften in dieser Form umgesetzt. Betrachtet man die Bibelstelle so sieht man, dass Paulus wegen eines Problems an die Versammlung schrieb und die Anweisung zur Ächtung auf diesen Brief und damit logischerweise auch auf die betroffene Versammlung beschränkte. Um was ging es in dem Brief eigentlich? Kapitel 1 handelt neben der schweren Zeit für die Thessalonicher darum, sich an das Evangelium zu halten und in Vers 7 und 8 geht es noch um die Hinrichtung der Ungläubigen mit flammendem Feuer.

Kapitel 2 warnt vor einer falschen Erwartung des Endes. Danach warnt er vor dem Abfall, dem Menschen der Gesetzlosigkeit und dem Sohn der Vernichtung. Letzterer beansprucht Gottes Position und will als gottgleich verehrt werden. Dann geht er auf den Menschen der Gesetzlosigkeit ein, welcher Lügen verbreitet und die Wahrheit über Christus ablehnt. Die Thessalonicher werden ermuntert, das Gelehrte zu befolgen, was sie durch „mündliche Botschaft oder einen Brief“ erhielten. Was dazu genau zählt, wissen eigentlich nur die Thessalonicher und verweist interessanter Weise nicht auf irgendwelche niedergeschriebenen Quellen. Kein altes Testament oder ähnliches. Auch hier scheint wieder ein aktueller Fokus zu bestehen.

Wenn ich Oliver einen Brief schreibe und erwähne, er soll sich an das erinnern, was „ich ihm erzählt habe und auf Facebook schrieb“, so weiß er, worum es sich handelt und auch, dass es nichts mit meinen Artikeln zu tun hat. Jemand anderes wohl kaum.

Kapitel 3 wird auch nicht viel spektakulärer. Im Vers 6 fordert er die Thessalonicher auf, sich von Unordentlichen zurückzuziehen, welche als Brüder gelten, also Teil der Gemeinde sind und erläutert in den weiteren Versen, dass er ein unsoziales, parasitäres Verhalten meint.

Welcher Schreiber von Anweisungen will nicht, dass er Ernst genommen wird? So auch Paulus, welcher forderte, dass seine Anweisungen durchgesetzt werden. Hier müsste wenn schon Jesus sagen, dass man Paulus ernst nehmen muss, wenn es denn eine runde Sache sein soll. Aber, selbst wenn man den Gedanken ignoriert, dass Paulus nur an eine Versammlung schrieb, welche Begründungen ließen sich für ein allgemeines „Bezeichnen“ ableiten?

Paulus selbst grenzt seine Anweisungen auf seine Briefe an die Thessalonicher ein, wenn nicht nur auf den zweiten. Auch der erste Brief der Thessalonicher lässt wenig anklingen. Ein Thema was auch dort auftaucht, ist die Faulheit, Moral ist nur eine Randnotiz. Ein Grundsatz daraus abzuleiten, wäre nur beschränkt möglich. Nach dem, was Paulus schrieb, müsste ich zum Beispiel Menschen, welche nicht arbeiten wollen und vom Geld anderer leben – staatlichen Leistungen z.B. – kritisch gegenüberstehen. Dies würde einige Pioniere betreffen. Ich müsste die leitende Körperschaft – welche die Bibel nutzt um ihren Willen anderen aufzuzwingen und gottgleich agiert – meiden, aber viel mehr finde ich nicht in diesen Briefen. Und ich würde diese Entscheidung treffen, nicht irgendjemand anderes. Denn Paulus schrieb nirgends von irgendwelchen formalen Strukturen für diese Meidung. Es war jedem selbst überlassen, eine Entscheidung zu treffen.

Innerhalb der WTG

Am Anfang führte ich bereits den Artikel von 2016 an. Ganz klar lässt sich daraus erkennen, dass die WTG dies den Ältesten als Aufgabe erteilt, darüber zu entscheiden. In Zeitschriften wird es schon etwas schwerer, diese Regularien aufzufinden. Ohne die WT-Library ist es sogar eine schwere Aufgabe, darüber etwas zu erfahren. Interessant ist es, wo man diese Themen im Einsichtenbuch findet, nämlich unter „Ausschluss“:

Personen, die Sünde getrieben haben und überführt worden sind, werden schriftgemäß vor „den Augen aller“ zurechtgewiesen, z. B. derjenigen, die den sündigen Lebenswandel bezeugten, so daß auch sie eine gesunde Furcht vor solcher Sünde haben mögen (1. Timotheus 5:20; siehe ZURECHTWEISUNG). […] Die Christenversammlung wird durch die Bibel auch ermahnt, aufzuhören, Umgang mit jemandem zu haben, der unordentlich und unkorrekt wandelt, aber es nicht verdient, völlig aus der Gemeinschaft entfernt zu werden. Paulus schrieb an die Versammlung in Thessalonisch darüber: „Hört auf, Umgang mit ihm zu haben, damit er beschämt werde. Und doch betrachtet ihn nicht als einen Feind, sondern ermahnt ihn weiterhin ernstlich als einen Bruder“.
Einsichtenbuch Band 1, S. 261 „Ausschluss“

Liest man 1. Timotheus 5:20, heißt es:

Weise Personen, die Sünde treiben, vor den Augen aller zurecht, damit auch die übrigen Furcht haben.
1. Timotheus 5:20

Woher die Aussage im Einsichtenbuch kommt (Vergangenheitsform), ist für mich nicht nachvollziehbar. Hier wird eine Anweisung an einen jungen Aufseher erwähnt – Timotheus. Er solle Menschen welche Sünde treiben, öffentlich rügen. Es ist also die Rede von Menschen, die Sünde „treiben“, diese nicht beendet haben. Wenn es bekannt ist, dass sie diese Sünde „treiben“ muss es irgendwie anderen bekannt sein. Somit macht es Sinn, dies auch öffentlich anzusprechen. Interessanter Weise müsste hier eigentlich in der Logik der WTG etwas von einem Rechtskomitee oder einer Ältestenschaft stehen, tut es aber nicht.

Mehr Befugnisse als die Ermahnung nennt Paulus gegenüber Timotheus nicht, außer dass er, Paulus, zwei Personen – Hymenäus und Alexander – Satan übergeben hatte. Was dies bedeutet, wird nicht näher ausgeführt. Aber das war Paulus der es tat. Und nun kommt die WTG zu ihrer Meinung und dem Konzept einer mehrstufigen Ächtung. Sie verbindet den Ausschluss mit der Ächtung von Personen, welche „unordentlich oder unkorrekt“ wandeln aber nicht verdienen völlig ausgeschlossen zu werden. Gefolgt von dem verkürzten Zitat aus 2. Thessalonicher. Wie man sieht, ein wildes aneinanderreihen von Argumenten.

Die ganze Abhandlung bringt folgenden Argumente in Stellung:

  • Timotheus sollte aktive Sünder zurechtweisen (1. Tim. 5:20).
  • Die Thessalonicher sollten Personen, welche gegen Anweisungen in dem Brief des Paulus an die Thessalonicher verstießen, meiden (2. Thess. 3:14).
  • Die Korinther sollten Personen meiden, welche als Brüder galten aber einen unpassenden Lebensstil führten (1. Kor. 5:9ff; 6:9, 10), und Personen welche Inzest trieben.
  • Titus sollte sich vor Personen hüten die Sekten bringen (Titus 3:10, 11).
  • Timotheus sollte die Ältesten nicht wegen jeder Anklage behelligen, er sollte nur auf Grund von zwei Zeugen handeln (1. Tim. 5:19). Sündige Personen hingegen sollte er zurechtweisen, eine Anzahl der Zeugen ist nicht erwähnt (1. Tim 5:20).
  • Und Offenbarung wird einfach mal angeführt, damit man gleich die ewige Vernichtung im Angebot hat (Off. 21:8). Hier ist aber nicht von Ausschluss sondern von einem göttlichen Gericht die Rede.

Ist es nachvollziehbar, dass Paulus eine Schnipseljagd durchgeführt hat, welche erst im 20. Jahrhundert Sinn machte? Schrieb er nicht vielmehr über punktuelle Lösungen an die einzelnen Versammlungen und Personen? Nun gut, soweit erst einmal die Struktur, um zu sehen, wie die WTG den Vorgang der „Bezeichnung“ einordnet.

Der Wachtturm vom 15. Juli 1999 widmet der „Bezeichnung“ sogar einen Artikel. Auszugsweise heißt es dort:

Die „Unordentlichen“ in Thessalonisch hatten sich wesentlicher Abweichungen vom christlichen Glauben schuldig gemacht. Sie arbeiteten nicht, entweder weil sie dachten, Christi Wiederkunft würde unmittelbar bevorstehen, oder weil sie faul waren. Außerdem verursachten sie dadurch eine merkliche Belästigung, daß sie ’sich in etwas einmischten, was sie nichts anging‘. Wahrscheinlich hatten die Versammlungsältesten ihnen schon wiederholt Rat erteilt im Einklang mit dem Rat des Paulus in seinem ersten Brief und mit anderem göttlichen Rat (Sprüche 6:6-11; 10:4, 5; 12:11, 24; 24:30-34). Trotz allem verharrten sie in einem Verhalten, das ein schlechtes Licht auf die Versammlung warf und das auch andere Christen anstecken konnte. Deshalb lenkte der christliche Älteste Paulus, ohne die Personen namentlich zu nennen, öffentlich die Aufmerksamkeit auf ihre Unordentlichkeit und deckte ihre verkehrte Handlungsweise auf.

Er ließ die Versammlung auch wissen, daß es für die einzelnen Christen passend wäre, die Unordentlichen zu ‚bezeichnen‘. […]

Dieser apostolische Rat bietet sicher keine Grundlage dafür, auf unsere Brüder, die einen geringfügigen Fehltritt oder Fehler begehen, herabzublicken oder sie zu richten. Stattdessen sollte es das Ziel sein, jemandem zu helfen, der ein beunruhigendes Verhalten offenbart, das auffällig im Widerspruch zum christlichen Glauben steht. Paulus legte weder detaillierte Regeln fest, noch versuchte er, eine komplizierte Verfahrensweise einzuführen. Aber es ist klar ersichtlich, daß die Ältesten einem Unordentlichen zuerst Rat geben und versuchen sollten, ihm zu helfen.
Wachtturm, 15. Juli 1999, Seite 29ff.

Wie hieß es eingangs:

Heute halten Älteste vielleicht einen warnenden Vortrag, wenn jemand in einem Verhalten verharrt, das die Versammlung negativ beeinflusst, wie die feste Bekanntschaft mit einem Ungläubigen (1. Kor. 7:39). Wie reagierst du auf so einen Vortrag? Angenommen, dir ist der erwähnte Fall bekannt. Stellst du dann den geselligen Umgang mit dem Betreffenden ein? Dein liebevolles Interesse und deine entschiedene Haltung können ihn veranlassen, sein unordentliches Verhalten aufzugeben.
Wachtturm März 2017, S. 20 Abs. 7

Dieses „Bezeichnen“ wird u.a. als Regeln für die Wahl der Freunde genutzt und kann einem selbst einen Vortrag einbringen, wie ganz deutlich durch die Auswahl der Bibelstellen gezeigt wird.

Selbst innerhalb der Christenversammlung können wir unter den Einfluß nachteiligen Anpassungsdrucks gelangen, wenn wir uns geistig schwache Personen als enge Freunde aussuchen.
Wachtturm 1. August 1999, S. 23

Oder:

Einige, die in geistiger Hinsicht nachlässig sind, mögen statt der Gemeinschaft reifer Christen, die ihnen helfen könnten, einen starken Glauben zu entwickeln, lieber die Gemeinschaft solcher suchen, die ebenfalls an weltlichem Denken und Handeln festhalten. Sie sehen nicht ein, daß es ihren Glauben schwächen und sie verderben kann, gesellige Gemeinschaft mit weltlichen, grundsatzlosen Menschen zu pflegen.
Königreichsdienst Juni 1989, S. 4, Abs. 5f

Das Familienbuch schreibt sogar:

In der Christenversammlung ist der Entzug freundschaftlichen Umgangs eine Möglichkeit, gewisse Übeltäter zu veranlassen, sich zu schämen (2. Thessalonicher 3:6, 14, 15). Bei Kindern kann der vorübergehende Ausschluß aus der Familiengemeinschaft wirkungsvoller sein als Schläge. Würde man jedoch ein Kind aus dem Hause aussperren oder andere übertriebene Maßnahmen ergreifen, so würde man über das hinausgehen, was die Liebe gebietet. Ganz gleich, welche Methode angewandt wird, den Kindern muß klargemacht werden, daß sie die Folgen für ihr Verhalten tragen müssen. Dadurch wird ihnen Verantwortungsbewusstsein beigebracht.
Familienbuch S. 145, Abs. 29

Das Vergewissert euch-Buch findet…

Unter gewissen Umständen mag es nötig sein, die Gemeinschaft derer, die biblischen Rat nicht befolgen, zu meiden, auch wenn ihr Verhalten keinen Gemeinschaftsentzug rechtfertigt.
Vergewissert euch über alle Dinge S. 227

Biblischer Rat, was ist das genau? War es biblischer Rat, als ich wegen der Wahl meines Autos von einem Ältesten unter der Nutzung eines Bibeltextes kritisiert wurde?

Zusammenfassung

Die WTG hat neben dem Ausschluss auch die Option der Zurechtweisung wenn kein Ausschluss auf Grund von Reue erfolgt. Daneben führte sie die öffentliche Brandmarkung ein, welche selbst Dinge ahndbar macht, die keinen Ausschlussgrund darstellen und auch Personen Ermahnungen unterwirft, welche noch nicht getauft sind. Biblisch lassen sich diese Mehrstufigkeit und die verschiedenen Verfahren nicht begründen. Damit erteilt man einer Ältestenschaft einen gewissen Freibrief, Menschen nach Gutdünken zu schikanieren, obwohl Paulus nirgends schrieb, dass es die Ältesten irgendwie angeht. Nebenher wird jeder dazu animiert, Personen zu meiden oder in das soziale Aus zu drängen, welche in irgendeiner Form nicht dem Bild der WTG entsprechen. Familien wird die zeitweise Ächtung als Erziehungsansatz verkauft, Freunde sollen Personen meiden, welche außerhalb der Zeugen Sozialkontakte unterhalten und dadurch wird jede Freundschaft immer von Ängsten beherrscht.

Zeugen leben so in einer selbstgewählten Isolation, welche zwangsläufig eine Eigendynamik generiert. Diese führt zum Absterben der externen Kontakte und erschwert damit den Austritt, da der soziale Tod immer intensiver wird. Verbindet man nun die verschiedenen Punkte, so erhält man ein erschreckendes Bild. Die Zeugen haben ein Konzept der Ächtung und des Kontaktabbruchs gegenüber eigenen Mitgliedern eingeführt, welches auf Misstrauen, Vermutungen und Willkür basiert.

Nimmt man nun dieses Bild, hat der Zeuge gelernt, alle Kontakte abzubrechen, welche gegen irgendwelchen Regeln oder Empfehlungen gehen. Verbindet man dieses Verhalten mit der Aussage „Freundschaft mit der Welt ist Feindschaft mit Gott“ so sieht man im Kopf des Zeugen einige Zahnräder drehen. Es wirft die Frage nach der eigenen Ächtung auf, die Ächtung anderer und lässt eine Liste im Kopf entstehen. Die Versammlung wird wieder und wieder nach gut und schlecht geteilt.

Damit kann die Führung eine Isolation erzwingen, deren Eckdaten keine der definierten Sünden (Unmoral, Rauchen, etc.) ist, sondern einfach die Isolation als Kontrollinstrument etabliert. Auch persönliche Vorlieben können so zur Isolation führen, zum Beispiel das Thema Bart. Als Modetrend deklariert, kann es genauso gebrandmarkt werden, wie enge Hosen. Anthony Morris III. stellte diese als falsch dar, somit laufen sicher bei einigen die Zahnräder warm, wer schlechter Umgang ist, da er enge Hosen oder einen Bart trägt. Dies lässt sich beliebig fortsetzen.

Reaktionen zu diesem Beitrag

  1. Barbara Kohout sagt:

    Gerade heute trifft mich dieser Artikel besonders hart. Meine Nichte rief mich an. Sie hat meine 98-jährige Mutter besucht. Weil sie meine Sorge um ihr Wohl kennt, fragte sie ganz konkret: „Möchtest Du Barbara noch einmal sehen?“ Die klare Antwort war: „Nein, so lange sie gegen meinen Glauben ist, will ich nichts mit ihr zu tun haben.“
    Gut – ich kann ihre Entscheidung akzeptieren und es bedeutet für mich auch eine Entlastung. Ich bin ihr als Tochter nichts schuldig geblieben.
    Doch wie erschütternd ist es zu sehen, dass eine Doktrin Menschen so eiskalt machen kann, dass sie jegliche natürliche Bindung zum eigenen Fleisch und Blut verleugnen!
    Was ist das für ein Monstergott, der so etwas verlangt? Wie grotesk ist der Begriff Liebe doch verbogen worden, um zu dieser Lebenshaltung zu passen.
    Ich kenne auch eine ganz andere, warme Seite dieser Frau. Sie tut mir sehr leid.

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    1. thomas sagt:

      hallo barbara,
      ……erlebe dies auch ……vater, mutter und zwei schwestern – das seit 24 jahren….. kein bild kein ton……
      schade, aber sie tun mir auch leid…
      alles liebe
      thomas

    2. Anonymous sagt:

      Wie lange wollen wir uns das anschauen und „ im Stillen“ leiden? Ich leide sehr darunter, wie tausende andere auch……… wie lange noch? Kann man da echt nichts unternehme?
      Mein 14 jähriger Sohn, der bei seinem Vater wohnt, spricht kein Wort mit mir ( bin ausgeschlossen, da ich in einer neuen Beziehung lebe). Jede andere Mutter dieser Welt hat das Recht ihr Kind zu sehen und zu sprechen… bei uns ist das nicht möglich… herzzerreißend … ich gehe zu Grunde

    3. Marianne sagt:

      Das betrifft mich auch. Es schmerzt sehr. Meine drei Kinder lehnten mich ab. Und meine Tochter, die daran psychisch erkrankte kam in die Jugendfürsorge. Doch nach einigen Jahren wieder zurück zum Vater und seitdem ist der Kontakt abgebrochen. Das perfide: es ist religiös. Doch vor den Gerichten soll es aussehen, als sei es meine Schuld. Wie kann man das Gericht überzeugen, dass hier das Kind für diese Zwecke mißbraucht wird? Oder sollte man loslassen, um nicht daran zu zerbrechen? Aber zerbricht man dann nicht auch?

  2. Sara-Maria Witschnig sagt:

    Das mit dem Kontaktabbruch ist so eine Sache. Ich bin selbst in diesem Glauben aufgewachsen, als ich 18 Jahre alt war, bin ich von zu Hause ausgezogen. Mein Vater redete einige Jahre lang nicht mit mir, mit meiner Mutter telefonierte ich jede Woche einmal kurz um uns über unser Wohlbefinden auszutauschen. Ein paar Jahre nach mir traten meine Eltern aus, bzw wurden ausgeschlossen, danach ist unser Verhältnis wieder etwas besser geworden. Aber so richtig wie zwischen Kind und Eltern ist es nie mehr geworden. Ich habe auch noch 4 Schwestern, die etwas älter sind als ich, zwei sind noch dabei, zwei nicht mehr. Eine, die noch dabei ist, ist wieder dabei. Sie ist in jungen Jahren von zu Hause ausgerissen weil sie unter dieser Gemeinschaft auch sehr gelitten hatte. Sie heiratete katholisch, bekam Kinder, führte eine tolle Ehe. Bis-vor ca. 10 Jahren- zwei „urcoole, moderne, junge“ Zeugen Jehovas bei der Tür klingelten. Sie war zuerst abgeneigt überhaupt mit denen zu reden, aber die beiden Jungen Leute trichterten ihr ein, dass jetzt bei den Zeugen das ja alles nicht mehr so streng ist und alles kein Zwang mehr ist und ja alles liberaler wurde, weil sie ja bla…bla….bla….. . Naja, meine Schwester hat denen total „aus der Hand gefressen“ und hat echt geglaubt dass das so sei. Naja, über kurz oder lang hat sie sich *wieder* taufen lassen und wollte dann auch mich wieder ins Boot holen. Nachdem ich ihr ein paar Mal versuchte, sie im Guten davon zu überzeugen, dass ich IN KEINEM FALL mir das mit den Zeugen nochmals antun wolle, und sie total wie gehirngewaschen mir wie ein Roboter die Angst vor Harmageddon eintrichtern wollte, bin ich schließlich schweren Herzens zu dem Entschluss gekommen, den Kontakt zu ihr abzubrechen. Wenn man mit ihr wieder vernünftig reden könnte darf sie sich wieder bei mir blicken lassen. Es waren viele Nerven notwendig, sie hat sehr oft versucht mich zu kontaktieren (Briefe, Telefon…) . Es mag jetzt hier zwar richtig grausam von mir klingen, und ja, ich habe mich damit auf das Niveau der Zeugen runtergelassen, aber jeder Mensch hat eine Schmerzgrenze und irgendwann ist auch mal gut.

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  3. Bernd sagt:

    Vor mehr als 30 Jahren bin ich aus dieser unseligen Sekte ( seit einigen Jahren dürfen sie sich KdöR nennen ) ausgestiegenen.
    Meine Mutter, mittlerweile hochbetagt und Hardcore-Zeugin,hat sich in dieser Zeit 3x mal bei mir gemeldet. Allerdings aus Versehen, da sie sich telefonisch verwählt hatte.Kontakt, wenn überhaupt, fand durch mich statt,bis ich vor ca. 15 Jahren bemerkte, dass meine Anrufe oder auch Einladungen nicht gewünscht waren. Unter fadenscheinigen Begründungen sagte sie immer wieder bereist geplante Reisen zu mir ab.
    Meine Schwester, 12 Jahre jünger als ich, hat mich auf allen sozialen Medien blockiert mit dem schnöden Hinweis, ich würde sie von ihrem Glauben abbringen.Der WTG ist es durch stete Gehirnwäsche gelungen gar nicht erst den Wunsch nach Familienzusammengehörigkeit aufkommen zu lassen. Naürlich werden hier mitlesende , noch aktive Zeugen, das Gegenteil behaupten. Ehrlich gesagt ist mir das völlig gleichgültig denn die Fakten ,wie ich und andere sie erleben, sprechen ihre eigene unverfälschte Sprache. Mein Dank geht an Selters, deren reisende Vertreter und natürlich die sog. Ältesten in den Versammlungen, die Hass und Angst schüren,um ihre Schäfchen zusammenzuhalten.Könnt ihr eigentlich noch täglich in den Spiegel schauen? Habt ihr schon einmal den Begriff “ Moral“ vernommen? Ich hege da grosse Zweifel.

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  4. Emily sagt:

    Seit meinem 6. Lebensjahr gehörte meine Familie den Zeugen Jehovas an.
    Meine Mama nahm diesen Glauben und einfach alles was zu einem Leben eines „aufrichtigen“ Zeugen dazu gehört wirklich extrem ernst. Dementsprechend streng wurden meine Schwester und ich erzogen.
    Zb eine kindersendung mit pumukel (einem kobold?) – ein absolutes no-go!
    Für mich war das Ganze immer irgendwie eine Qual, ständig in der Bibel zu forschen und zu studieren, von haus zu haus zu laufen usw.
    Aber nun gut ich liebte meine Mama mehr als alles auf dieser Welt und für sie habe ich wirklich ALLES getan.
    Ich habe auch nur still gelitten und bie etwas gesagt, weil ich wusste es hätte ihr das Herz gebrochen.

    Als ich 17 war ist meine Mama an Krebs gestorben – sie hat jegliche ärztliche Hilfe abgelehnt, weil sie -warum auch immer! – davon ausging jehova würde sie heilen.

    Ich muss zugeben, einen Monat später habe ich den Kontakt zu ZJ komplett abgebrochen … ich habe nur noch einen brief geschrieben, dass ich keine zeugin jehovas mehr sein möchte und keinen Kontakt mehr will.
    Ohne meine Mama hätte ich diesen Quatsch viel früher hinter mir gelassen.

    Mittlerweile bin ich 24 und habe seit ich 20 bin und auf eigenen Beinen stehe gar keinen Kontakt mehr zu meiner Familie. Ich werde wirklich wie eine Aussätzige gemieden.
    Gut, damit komme ich klar ich habe eine tolle Arbeit, tolle Freunde und bin außerdem verheiratet und alles andere als alleine.

    Aber was mir beinahe täglich wirklich Alpträume beschert und mich irgendwie davon abhält 100% glücklich zu sein , ist die Frage ob meine Mama mich jetzt überhaupt noch lieben würde.
    Ich vermisse sie jeden tag und habe gleichzeitig das Gefühl sie ist enttäuscht von mir egal was ich erreiche, nur weil ich diesen Glauben nicht teilen kann.
    Da ich nie mit ihr darüber gesprochen habe, weiß ich nicht wie ich damit und auch mit diesem kapitel zeugem jehovas in meinem leben jemals völlig abschließen soll….

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