Zeugen Jehovas und Evolution – Von Strohmännern und Argumenten

© jozefmicic

Vor Kurzem schrieb ich etwas, das häufig vergleichbare Argumente und Reaktionen auslöst. Ein Thema, welches sich durch eine sehr dünne Trennlinie zwischen eigener Meinung, innerer Überzeugung und Unwissenheit auszeichnet. Bezeichnend für verschiedene Aspekte der Manipulation durch die Führung der Zeugen Jehovas, jedoch in jeder streng kreationistischen Gruppierung ebenso aufzufinden. In dem Beitrag wurde ich darauf hingewiesen, meine Überzeugung als meine Meinung kenntlich zu machen, und meine Sicht der Dinge nicht als Fakt oder Wahrheit in den Raum zu stellen. Aus diesem Grund möchte ich vorab erwähnen, dass der Beitrag nicht das Ziel verfolgt, meine Meinung oder irgendeine spezifische Meinung zu verteidigen. Ich möchte allerdings einige grundlegende Missverständnisse klären und dabei auf antrainierte Irrtümer bei der Kommunikation hinweisen. Viele der Beispiele lassen sich auch in andere Kategorien einordnen, es soll nur exemplarisch verdeutlicht werden, was gemeint ist.

Primär bemühe ich mich, Zitate gegenüberzustellen und diese so kurz wie möglich zu kommentieren. Mein Ziel ist dazu anzuregen, Diskussionen auf Augenhöhe zu führen und andere Ansichten zu respektieren.

Erlerntes (Un)wissen – wieder eine Wertung

Die Theorie

Die Evolution ist nicht belegt. Aus diesem Grund heißt sie auch Evolutionstheorie. Sie ist einfach eine Theorie!

Diese Aussage brachte ich früher sehr gern, wenn es um das Thema ging. Schaut man in den Duden, so findet man mehrere Bedeutungen des Begriffs „Theorie:“

System wissenschaftlich begründeter Aussagen zur Erklärung bestimmter Tatsachen oder Erscheinungen und der ihnen zugrunde liegenden Gesetzlichkeiten wirklichkeitsfremde Vorstellung;
bloße Vermutung

Duden

Es gibt noch weitere Bedeutungen, aber diese beiden sind in diesem Zusammenhang relevant. Im kreationistischen Kontext wird leider oft bewusst der Begriff „Theorie“ fälschlicherweise in der umgangssprachlichen Bedeutung erklärt. Aus einer „wissenschaftlich begründeten Aussage“ wird dadurch eine „bloße Vermutung“. Spricht man bei der Evolution also von einer Theorie, so muss man anerkennen, dass sie im wissenschaftlichen Sinne als belegt betrachtet wird.

Die Evolution aus Sicht der Wachtturm-Gesellschaft:

Der Begriff „organische Evolution“ steht für eine Theorie, nach der sich das erste Lebewesen aus lebloser Materie entwickelte. Dann, so wird gesagt, habe es sich, während es sich vermehrte, in verschiedene Arten von Lebewesen verwandelt und schließlich alle Formen der Pflanzen und Tiere hervorgebracht, die je auf der Erde existierten. All dies soll ohne das übernatürliche Eingreifen eines Schöpfers bewirkt worden sein. Einige versuchen, die Evolution mit dem Glauben an Gott zu verschmelzen, indem sie sagen, Gott habe die ersten primitiven Lebensformen ins Dasein gebracht und sich dann der Evolution bedient, um die höheren Lebensformen, den Menschen eingeschlossen, entstehen zu lassen. Diese Lehre ist unbiblisch.
Evolution (Unterredungsbuch)

Schaut man unter Evolution in ein Nachschlagewerk, so liest man:

Unter Evolution […] versteht man im deutschen Sprachraum heute in erster Linie die biologische Evolution. Darunter wird die allmähliche Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation verstanden. Das Lehr- und Forschungsgebiet der Evolution wird als Evolutionsbiologie bezeichnet und unterliegt, wie viele andere Wissenschaften, kontinuierlich neuen Einsichten, wozu allein schon die Entdeckung neuer Fossilien oder neuartiger Methoden beitragen können. Das Themenfeld der Evolution wurde zuweilen unterteilt in die Evolutionsgeschichte, in der die Veränderungen der Lebewesen im Laufe der Erdgeschichte beschrieben werden und wo es Überlappungen mit der Paläontologie gibt, sowie die naturwissenschaftlichen Erklärungen (Hypothesen und Theorien) für das Gesamtphänomen der Evolution im Rahmen der Evolutionstheorie. Die beiden Ansätze sind heutzutage in der Wissenschaft innig miteinander verwoben und befruchten sich wechselseitig.
Wikipedia

Man sieht hierbei einen gewaltigen Unterschied, bezüglich der Frage zur Entstehung des Lebens. Einmal ist sie inkludiert, das andere Mal nicht. Warum?

Folgt man der WTG, nimmt sie die Entstehung des Lebens und verbindet diese mit der Entwicklung der Arten. Die Trennung in die „chemische Evolution“ (Abiogenese) und die „biologische Evolution“ (Evolution) wird unter dem Begriff der „organischen Evolution“ zusammengefasst. Was im ersten Moment sicherlich unwichtig klingt, hat tiefgreifende Auswirkungen auf das korrekte Verständnis von Zeitschriften, Zitaten und Auslegungen. Dazu im Folgenden einiges mehr.

Zusammenfassung:

  • Theorie – wissenschaftlich belegbares Erklärungsmodell
  • Evolution – Entwicklung des Lebens (NICHT die Entstehung des Lebens)
  • Abiogenese – Entstehung des Lebens

Falsche Annahmen bringen falsche Ergebnisse

Das Leben ist einfach so entstanden, durch Zufall. Wie lächerlich. Was hört sich denn glaubwürdiger an? Das was die Wissenschaft sagt, oder was die Bibel sagt. Es ist ganz eindeutig, dass Gott alles erschaffen hat. So wunderbar wie es ist kann es kein Zufall sein.

An dieser Stelle sollte man überdenken, welche Sicht man vertritt. Sicher, als überzeugter Vertreter einer der beiden Positionen, sieht man seinen Gegenüber im Irrtum. Als Vertreter der Schöpfungstheorie kann man jedoch ziemlich überrascht werden, sollte man den gleichen Maßstab an die Schöpfung anlegen wie an die Evolution, nämlich einen wissenschaftlichen. Neben einem Buch, dessen Herkunft von einer höheren Quelle – wenn man es rational betrachtet – nicht belegbar ist, gibt es für den Schöpfungsprozess sehr wenige, wenn überhaupt irgendwelche belastbaren Nachweise.

An dieser Stelle kann die Evolution beispielsweise mit Fossilien aufwarten. Natürlich gibt es an diesem Punkt sofort den Ruf nach dem „Missing Link“ (fehlendes Bindeglied) welcher heute eher „Connecting Link“ (Bindeglied) genannt wird. Die Brisanz, welche Kreationisten diesem Thema zuschreiben, ist in wissenschaftlichen Kreisen längst verloren gegangen. Einer der Gründe dafür ist der Wissenschaftszweig der molekularen Evolution. Abstammungen, welche vor Jahren nur vermutet werden konnten, lassen sich heute genetisch beweisen und nachvollziehen.

Wie in der Evolution einige Aspekte kontrovers betrachtet werden können, so kann man ebenso zur Schöpfung die Frage in den Raum stellen, welcher der vielen Götter und Schöpfungslehren als Grundlagen herangezogen werden soll.

Zusammenfassung: Wenn man fair herangehen will, so muss man den Glauben an einen Gott oder an die Wissenschaft außen vor lassen, und beide Ansichten anhand der gleichen Maßstäbe prüfen.

Strohmannargumente

Mit einem Strohmann-Argument wird ein Streitgespräch fingiert, in dem den eigenen Argumenten angebliche Argumente der Gegenseite gegenübergestellt werden. Statt auf die tatsächliche Position des Gegners und seine Argumente einzugehen, wird gegen einen nicht anwesenden, fiktiven Gegner – den „Strohmann“ – argumentiert; dabei werden diesem oft verzerrte und undifferenzierte Versionen der gegnerischen Argumentation in den Mund gelegt. Es wird dann behauptet, die Widerlegung der Strohmann-Position wäre eine Widerlegung der tatsächlichen Position des Diskussionsgegners. Da der Strohmann im Gegensatz zu einem realen Streitgegner nicht auf differenzierte Einwände eingehen oder sie gar zurückweisen kann, handelt es sich dabei aber um einen Sophismus. Bei der Technik des Advocatus Diaboli wird ebenfalls ein fiktiver Gegner der eigenen Position aufgebaut, in dem jedoch die Argumente der Gegenseite so stark wie möglich vorgebracht werden sollen, um die Stichhaltigkeit des eigenen Arguments zu prüfen und eventuelle Schwachstellen zu beheben.
Wikipedia

Dazu ein Beispiel aus der Broschüre Das Leben: Reiner Zufall? (Herausgegeben von Zeugen Jehovas):

Mythos 1: Mutationen sind die Ausgangsbasis für die Entstehung neuer Arten. Die Vorstellung von einer Makroevolution basiert auf der Annahme, Mutationen — zufällige Erbgutveränderungen in Pflanzen und Tieren — könnten nicht nur neue Arten, sondern sogar völlig neue Pflanzen- und Tierfamilien hervorbringen.
Die Fakten: Viele Merkmale einer Pflanze oder eines Tieres werden durch die Informationen bestimmt, die im genetischen Code festgelegt sind, dem Bauplan, der in jedem Zellkern steckt. Es stimmt zwar, dass Mutationen in nachfolgenden Pflanzen- oder Tiergenerationen Veränderungen bewirken können. Entstehen durch Mutationen aber wirklich ganz neue Arten? Was haben hundert Jahre Genforschung ergeben?

Evolution: Mythen und Fakten

An dieser Stelle wird gegen eine Makroevolution diskutiert, wohingegen in den folgenden Zeilen eine Mikroevolution akzeptiert wird. Problem hieran ist, dass diese Begriffe an sich schon in der Fachwelt umstritten sind. Diese werden zwar durch Kreationisten eisern verteidigt, da damit ihr Weltbild steht und fällt. Gäbe es nur EINE Evolution, so wäre ihre Position schwer zu verteidigen. Trennt man jedoch die Mikroevolution ab, so kann man Bibelexegese bezüglich der Entwicklung von Tieren nach der Sintflut betreiben und größere Veränderungen welche viele Jahrtausende benötigen, leugnen.

Für mich sind diese Artikel klassische Strohmänner. Wissenschaftliche Positionen werden verzerrt wiedergegeben und anschließend wird gegen diese, oft stark vereinfachte und unzutreffende Positionen argumentiert. Eine wirkliche Darlegung der Gegenargumente und Fehler bleibt zu wünschen. Die Sicht der Schreiber zeigt sich schon in der zentralen Aussage des Artikels: „Übersehen wird dabei oft, dass die Evolutionslehre eigentlich auf drei Mythen beruht.“ Es wird gleich von Mythen geredet. Kann man wirklich von einer ehrlichen Betrachtung in einer Zeitschrift ausgehen, welche die Gegenseite als Personen darstellt, die ihre Ansicht auf Mythen bauen?

Ein Artikel der WTG versteigt sich zu der Aussage:

Was, wenn sich Klassenkameraden über dich lustig machen, weil du an etwas glaubst, was man nicht sieht? Oder wenn sie sagen, dass die Evolution doch wissenschaftlich „bewiesen“ ist? […] Der Glaube an Gott ist absolut logisch. Immerhin gilt es als erwiesen, dass sich Leben nicht von allein entwickeln kann. Es gibt keinen einzigen Beweis, der die Theorie stützen würde, dass Leben zufällig aus unbelebter Materie entstehen kann.
Schöpfung oder Evolution? — Teil 1: Was spricht für den Glauben an Gott?

Wieder wird gegen etwas argumentiert, was gar nicht die ursprüngliche Fragestellung war. Aufgefallen? Auch die anderen Punkte die angeführt werden, sind Strohmänner. Der Schüler der die Evolution verteidigt, wird zum Atheisten gemacht welcher unter der Evolution die Entstehung des Lebens versteht. Dagegen wird dann (fehlerhaft) argumentiert. Eigentlich lehnt der Schüler mit dem Glauben an die Evolution nur den Kreationismus ab, was wissenschaftlich betrachtet durchaus nachvollziehbar ist.

Argumentum ad ignorantiam

Das argumentum ad ignorantiam […] ist ein logischer Fehlschluss, bei dem eine These für falsch erklärt wird, allein weil sie bisher nicht bewiesen werden konnte, oder umgekehrt, eine These für richtig erklärt wird, allein weil sie bisher nicht widerlegt werden konnte. Der Fehlschluss wird ohne Sachargumente gezogen. Der so Argumentierende sieht seine mangelnde Vorstellungskraft oder seine Ignoranz als hinreichend für die Widerlegung bzw. Bestätigung einer These an.
Wikipedia

Diese argumentative Inkonsistenz findet sich in einem sehr beliebten und oft zitierten Beispiel wieder:

Als ein Fabrikant gefragt wurde, warum er an die Existenz eines intelligenten Schöpfers glaube, gab er folgende vernünftige Antwort: „In unserer Fabrik braucht ein Mädchen etwa zwei Tage, bis es weiß, wie die 17 Bestandteile eines Fleischwolfs zusammengebaut werden. Es kann sein, daß die Millionen von Welten, die sich alle — wundervoll geordnet — auf einer bestimmten Bahn bewegen, zufällig entstanden sind. Vielleicht haben sie sich, nachdem sie eine Milliarde Jahre ziellos durchs All gezogen sind, schließlich geordnet. Ich weiß es nicht, denn ich bin nur ein Messerwarenfabrikant. Aber eins weiß ich: Selbst wenn man die 17 Bestandteile eines Fleischwolfs 17 Milliarden Jahre lang in einer Wanne durcheinanderwirbeln würde, entstünde dennoch niemals ein Fleischwolf.“
So, wie nur jemand, der Denkvermögen besitzt, die einzelnen Bestandteile des Fleischwolfs zu einer guten Küchenmaschine zusammenfügen kann, kann logischerweise auch das wunderbar geordnete Weltall nur von einer Person mit Denkvermögen, einer Person, der Ehrfurcht einflößende Macht zur Verfügung steht, geschaffen worden sein.

Erwachet! 8.7.1979, Seite 4 und 5

Die Evolution wird angeblich mit diesem Argument widerlegt, doch leider kommt kein Gegenüber zu einer angemessenen Verteidigung der Evolution zu Wort. Statistisch betrachtet wäre es sicher möglich, ohne Frage. Mehr kann man dazu nicht sagen. Es würden nicht nur die 17 Teile Milliarden Jahre lang geschüttelt werden, sondern Milliarden von Teilen auf Milliarden von Planeten in Milliarden von Jahren – eine Lotterie. Die Lotterie des Lebens, die wir auf der Erde gewonnen haben. Doch was hat dieses Beispiel mit der Evolution zu tun? Mit einer Entwicklung? Wie vergleichbar ist ein Fleischwolf mit den komplexen Zusammenhängen der Evolution?

Oft werden Zitate angeführt, warum Menschen nicht an die Evolution glauben. Die Argumente sind zusammengefasst: „Ich habe mich damit befasst und es wurde immer unlogischer für mich.“ Und: „Alles funktioniert so gut, dies muss so erschaffen worden sein.“

Doch wie aussagekräftig sind diese Argumente? Nur weil ich etwas nicht verstehe, muss es deswegen falsch sein? Nur weil ich Quantenphysik als unlogisch empfinde, kann ich sie als nicht existent betrachten? Nur weil etwas funktioniert oder schön ist, muss es dann so erschaffen sein? Wären die Niagarafälle nur durch einen Erschaffer möglich, oder einfach, weil es sich so entwickelt hat?

Irreführende Aussagen

Viele der Aussagen in den Zeitschriften der Zeugen Jehovas sind inhaltlich irreführend und stützen nur im ersten Moment die dort vertretenen Ansichten. In einem Artikel zur Evolution heißt es z.B.:

Wenn jemand sagt: „Nur ungebildete Menschen glauben an Gott.“ Dann könntest du sagen: „Und du glaubst an so ein Klischee? Also ich nicht. Es gibt eine Studie, bei der über 1 600 Professoren von verschiedenen Eliteuniversitäten befragt wurden. Und ungefähr ein Drittel hat angegeben, an Gott zu glauben. Willst du sagen, dass diese Professoren ungebildet sind, nur weil sie an Gott glauben?“
Schöpfung oder Evolution? — Teil 1: Was spricht für den Glauben an Gott?

Doch was hat das mit der Evolution zu tun? Sicher, es gibt Atheisten. Hier wird jedoch der Einwand gebracht, um den Anschein zu erwecken, dass rund ein Drittel der Wissenschaftler an die biblische Schöpfung glaubt. Wie weiter oben erwähnt, gibt es die Evolution und die Abiogenese. Diese lassen eine theistische Evolution sowie den evolutionistischen Kreationismus zu.

Nichtzulässigkeit begründeter Argumente

In diese Kategorie fällt für mich ein weiteres Argument des Artikels:

Manche sagen, sie glauben nicht an Gott, aber meinen damit eigentlich, dass sie Gott nicht verstehen. Statt ihren eigenen Standpunkt zu begründen, stellen sie Gegenfragen, wie: „Wenn es einen Gott gibt, warum lässt er dann so viel Leid zu?“ Im Grunde genommen machen sie damit aber aus einer sachlichen Frage eine emotionale Angelegenheit.
Schöpfung oder Evolution? — Teil 1: Was spricht für den Glauben an Gott?

Hier wird dem Fragesteller unterstellt, von der angeblichen Frage nach einem Gott abzulenken, indem er eine Frage stellt die damit nicht im Zusammenhang steht und nur eine emotionale Ebene erreichen will. Eine berechtigte Frage wird nicht als Argument zugelassen. Jeder hat für sich Gründe, Dinge abzulehnen, und diese Frage spielt dabei sicher eine Rolle. Welche Argumente sind denn zulässig, wenn man über ein unsichtbares Wesen spricht, welches man nur durch Auswirkungen erkennen kann? Ist es nicht eine Unterstellung, zu behaupten das der Gegenüber nur ablenken will? Ist es wirklich nur eine emotionale Sache? Nach der Chronologie der Zeugen Jehovas, existierte das Paradies rund 30 Jahre. Danach litt die Menschheit rund 4000 Jahre. Später lies Gott seinen Sohn bestialisch als ein Lösegeld hinrichten, denn dazu sandte er ihn auf die Erde. Als er dann das Lösegeld erbrachte machte Gott was? Er schaute weiterhin zu, wie Menschen leiden, sterben und unterdrückt werden. Mittlerweile fast 2000 Jahre.  Sicher, man kann dies theologisch begründen, aber für einen Atheisten ist es durchaus eine inhaltliche Frage, da er ein Erklärungsmodell vertritt, welches eine andere Antwort auf diese Thematik hat.

Der Artikel beantwortet nicht die Frage nach dem Leid oder thematisiert den Einwand, sondern man ruft: „Schau, der will dich ablenken!“ und versucht dadurch, selbst abzulenken.

Tu-quoque-Argumente und Whataboutism

Whataboutism (aus dem englischen What about? = „Was ist mit?“ und dem Suffix -ism = „ismus“ zusammengesetzt) ist eine oft als unsachlich kritisierte Gesprächstechnik, die unter diesem Namen ursprünglich der Sowjetunion bei ihrem Umgang mit Kritik aus der westlichen Welt als Propagandatechnik vorgehalten wurde. Es bezeichnet heute allgemein die Ablenkung von unliebsamer Kritik durch Hinweise auf andere wirkliche oder vermeintliche Missstände […] Whataboutism kann als Spezialfall des tu quoque aufgefasst werden.
Wikipedia

Als Tu-quoque-Argument […] wird der argumentative Versuch bzw. das Scheinargument bezeichnet, eine gegnerische Position oder These durch einen Vergleich mit dem Verhalten des Gegners zurückzuweisen. Es kann als Variante des Argumentum ad hominem verstanden werden und kommt insbesondere gegen moralische Bewertungen oder Vorschriften zum Einsatz.
Wikipedia

Logisch betrachtet mag es andere Missstände geben und der Gegenüber ist sicher nie fehlerfrei, dies kann jedoch in keinster Weise als Argument gelten, warum der Hinweis auf einen Missstand fehlerhaft ist. Es ist kein Argument, sondern nur eine Form der unlauteren Ablenkung.

Whataboutism und besonders Tu-quoque-Argumente findet man verstärkt bei dem Thema Kindesmissbrauch unter Zeugen Jehovas. Dabei werden andere Religionen als schlimmer dargestellt, und die Person, welche das Argument bringt, diskreditiert (Lügen von Abtrünnigen) usw. Gelegentlich enthält auch die Frage zu Aktivitäten von Aktivisten diese Komponente, besonders wenn Personen noch als Zeuge denken. Wir berichten über ein Fachthema in das wir durch unser Leben einen kleinen Einblick gewonnen haben. Die Fragestellung, warum wir andere Religionen und deren Fehler nicht aufgreifen, ist einfach unserem Wissen geschuldet und oft nur ein Verteidigungsversuch von oder für  Zeugen Jehovas, oder der Versuch, den Betreffenden als frustriert darzustellen.


Ich hoffe ich habe einige der Punkte verständlicher gemacht. Gerade bei diesem komplexen Thema sollte man sich Fragen, ob man wirklich weiß wovon man spricht. Dadurch, dass man nie die Evolution so gelehrt bekommen hat, wie sie Wissenschaftler verstehen, läuft man Gefahr, Unsinn zu äußern. Auch ich bin noch in einem Lernprozess diesbezüglich. Selbst wenn man an einen Schöpfer glaubt, schadet es nicht, sich vielleicht mal in die Materie einzulesen. Und sei es nur um gute Argumente zu finden um die gegnerische Position zu widerlegen. Womöglich ist dies der Weg zu netten Gesprächen oder guten Argumenten.

Ein großes Dankeschön an den Korrekturleser für den Input!

Reaktionen zu diesem Beitrag

  1. Sarah sagt:

    Mikroevolution und Makroevolution sind doch auch in der Fachwelt gegeben? Bzw gibt man die Begriffe in Google ein bekommt man auch Aufrufe auf Biologische Seiten.

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    1. Oliver Wolschke sagt:

      „Die Verwendung der Begriffe ‚Mikroevolution‘ und ‚Makroevolution‘ ist heute umstritten. Einige Evolutionsbiologen vermeiden beide Begriffe mit dem Argument, dass der gleiche Sachverhalt zugrunde liege: Bei ‚makroevolutionären‘ Prozessen handele es sich lediglich um eine zeitliche Summierung von ‚mikroevolutionären‘ Prozessen, die Unterteilung sei somit künstlich und unscharf.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Mikroevolution

    2. Johannes Heckhoff sagt:

      Mit einer unscharfen Abgrenzung kann ich leben, jedoch zu Bedenken wäre, dass Macroevolution, die nicht beobachtbare und auch nicht begründbare Evolution darstellt. Wir kennen heute etwas über die Vererbungslehre (Mendel), und zwar sehen wir heute den Speichergehalt in Form der DNA. Hätte Darwin davon gewußt, hätte er eine Zelle niemals als primitiv bezeichnet, ja sogar seine theoretischen Ansätze von sich aus verworfen. Rekombinationsprozesse des Vorhandenen (Microevolution) wäre demnach eine notwendige Anpassungsfähigkeiten des Individuums an die Umweltveränderungen. Diese Flexibilität ist eine Voraussetzung zum Überleben. Aber kann man hier von Inovation sprechen, etwas neues zu „erschaffen“, mit einem Komplexitätsgrad unverstellbarer Abläufe. So unscharf finde ich die Einteilung nicht.

  2. Sebastian sagt:

    Hi Sarah,
    sicher, man findet die Begriffe auf Google.
    Dazu 2 Zitate von Wikipedia, von dem jeweiligen Begriff:
    „Die Verwendung der Begriffe „Mikroevolution“ und „Makroevolution“ ist heute umstritten. Einige Evolutionsbiologen vermeiden beide Begriffe mit dem Argument, dass der gleiche Sachverhalt zugrunde liege: Bei „makroevolutionären“ Prozessen handele es sich lediglich um eine zeitliche Summierung von „mikroevolutionären“ Prozessen, die Unterteilung sei somit künstlich und unscharf. Andere, etwa Stephen Jay Gould, verwenden die Begriffe, weil sie der Meinung sind, dass für die Dynamik der Makroevolution, neben den gleichen Prozessen, die auch für Mikroevolution verantwortlich seien, zusätzlich auch noch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. In Kreationismus und Intelligent Design wird diese Unterteilung auch verwendet. Mikroevolution wird akzeptiert im Zusammenhang mit Züchtung oder Resistenzentwicklung und damit als Bestandteil der Schöpfungslehre. Mikroevolution wird gesehen als Artenbildung die aus Selektion und damit Verarmung des Genpools des Grundtyps besteht. Formen der Mutation, welche die genetische Ausstattung prinzipiell erweitern werden unter Makroevolution eingeordnet.“
    „Vertreter der umstrittenen, religiös geprägten Positionen Kreationismus und Intelligent Design verfechten die Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroevolution. Während sie Mikroevolution dabei als einen durch die Evolutionsbiologie empirisch bestätigten Mechanismus akzeptieren, lehnen sie die Makroevolution im Sinne der Bauplan-Transformationen als Erklärung für die Entwicklung von Gattungen ab. Kreationisten vertreten ein Grundtypkonzept, das auf göttlicher bzw. personaler Schöpfung und anschließender Verarmung des Genpools und Selektion basiert.
    Sie meinen, ausreichende Nachweise für die Bauplan-Transformationen, die zur Entstehung neuer Gattungen geführt haben, würden noch ausstehen. Bisherige Befunde der Forschung zur Makroevolution – wie die fossil dokumentierten Bauplan-Transformationen[1], die durch Zell- und molekularbiologische Analysemethoden belegte Zellfusions-Prozesse[1] sowie die beobachteten Transformationen des Körperbaus von Insekten aufgrund mutierter Hox-Gene[3] – akzeptieren sie nicht als Belege. Kritiker wie die Humanbiologin Eugenie C. Scott und der Philosoph Glenn Branch wenden daher ein, dass dieser Einwand einem argumentum ad ignorantiam(lateinisch für „Argument, das an das Nichtwissen appelliert“) gleichkommt[6] (vgl. auch Intelligent Design). Sie verweisen im Gegenzug auf die prinzipiell fehlende empirische Falsifizierbarkeit von Kreationismus und Intelligent Design. Der Pflanzenphysiologe und Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera wirft Kreationisten und Vertretern von Intelligent Design vor, Pseudowissenschaft zu betreiben[7][8].“
    (Man darf nicht ganz vergessen, dass es sich hierbei um Begriffe handelt, welche 1909 durch Leavitt erfunden wurden.)
    Problem ist einfach, wenn man diese Begriffe kreationistisch verwendet, wird von 2 unterschiedlichen Vorgängen geredet, so als ob eine Trenngrenze besteht. Alles Sichtbare wird dabei als „Mikroevolution“ definiert, alles was viel länger braucht, als Makroevolution geleugnet – mal ganz einfach formuliert. Aber die Entwicklung der Arten, wenn man sich etwas in das Thema einliest, besteht nicht aus einer Option 1 in der sich der Schnabel verändert und Option 2 wo es einfach mal eine neue Art gibt – alles ist ein fortlaufender Prozess. Dieser Prozess führt zu neuen Tierarten (Mikroevolution) sowie neuen Tiergattungen (Makroevolution). An der Stelle wird die Logik der Evolution durch eine kreationistische Betrachtung und (Um)deutung eines Begriffes welcher vor 100 Jahren erfunden wurde, missbraucht. Daher wird diese Trennung u.a. abgelehnt bzw. ist umstritten. Zumal, wenn es durch Evolutionsbiologen benutzt wurde, so haben sie diese Begriffe nie als direkt trennend genutzt, sondern nur um bestimmte Bereiche der Evolution zu beschreiben. Für Kreationisten hingegen, ist die Mikroevolution ein Kernargument der Schöpfungsgeschichte, obwohl es in dieser exessiven Form nie erfolgte und nicht nachweisbar ist. (Siehe Oli’s Sintflut-Artikel.)
    Es ging mir in meinem Artikel ja um Missverständnisse, und diesen wollte ich aufzeigen. Die kreationistische Argumentation geht hier absolut gegen das wissenschaftliche Verständnis.

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  3. H U Friedrich sagt:

    „Spricht man bei der Evolution also von einer Theorie, so muss man anerkennen, dass sie im wissenschaftlichen Sinne als belegt betrachtet wird.“

    „…betrachtet wird…“, – das heißt Ansichtssache, keine erwiesene Tatsache! Eine Ansicht kann man teilen, oder auch nicht. Der eine sieht das so, der andere nicht.

    Antworten
    1. Sebastian sagt:

      Eben nicht. Etwas zu betrachten, bedeutet eben nicht – je nach sinnbezogener Definition – das es eine Ansichtssache ist. Gerade die Definition der wissenschaftlichen Theorie:

      „System wissenschaftlich begründeter Aussagen zur Erklärung bestimmter Tatsachen oder Erscheinungen und der ihnen zugrunde liegenden Gesetzlichkeiten wirklichkeitsfremde Vorstellung“

      lässt da wenig bis keinen Spielraum. Wenn ich hier von Spielraum schreibe, so meine ich – dies gleich vorab – einen Spielraum welcher sich mit Detailfragen beschäftigt.

    2. Uni-Gott sagt:

      „Spricht man bei der Evolution also von einer Theorie, so muss man anerkennen, dass sie im wissenschaftlichen Sinne als belegt betrachtet wird.“

      „…betrachtet wird…“, – das heißt Ansichtssache, keine erwiesene Tatsache! Eine Ansicht kann man teilen, oder auch nicht. Der eine sieht das so, der andere nicht.

      Nein, es ist keine Ansichtsache, sondern wirklich eine Tatsache.
      Siehe z.B. >>Ententest<>MUSSSSSSSSSS<< die Evolutionstheorie also anerkennen, wenn man die Realität nicht leugnen will.

      Sehenswert ist auch folgendes Video dazu:

      https://www.youtube.com/watch?v=jWRaDXjO1nI&t=6s

  4. H U Friedrich sagt:

    „– je nach sinnbezogener Definition –“ wenn die Definition „sinnbezogen“ ist, so hängt sie vom vorgegebenen Dogma ab.

    „Etwas zu betrachten, bedeutet eben nicht – … – das es eine Ansichtssache ist.“ Hahahaha – etwas zu betrachten ist also keine Ansichtssache.
    Da widerlegst Du Dich selbst.

    Antworten
    1. Sebastian sagt:

      Danke für deine Antworten. Sie passen perfekt in den Beitrag von mir. Wir könnten Stunden diskutieren, ohne auf ein Ergebnis zu kommen. Und die Ursache ist einfach: dein Ziel ist nicht eine Diskussion sondern das Verbreiten deiner Meinung ohne ein Argument.
      Dies findet man sehr oft auch bei der WTG, wenn es um komplexere Themen geht.

  5. Sven sagt:

    Hallo Sebastian, mir ist vor einigen Tagen die Broschüre “ das Leben, reiner Zufall “ von meinem Schwager überreicht worden. Er ist ein Zeuge Jehovas, wir hatten Jahrzehnten nichts miteinander zu tun doch nun suchte ich den Kontakt zu meiner Schwester ( sie ist vor einigen Jahren ausgestiegen ) und da kamen wir uns näher. Ein ganz lieber Kerl, ich möchte gern auf Augenhöhe mit ihm diskutieren und bin bei meiner Recherche hier bei deinen Ausführungen gelandet. Vielen Dank für die Arbeit, für mich haben sich beide Lektüren gelohnt .

    Antworten
  6. verstehen sagt:

    Letztens habe ich einen Artikel gelesen über die Frage, ob Gott mächtig genug ist, eine Welt ohne Leid zu erschaffen. Die Antwort auf diese Frage kann auch ein Grundlage dafür sein,dass viele eher an die Evolution glauben,als an die Existenz eines monotheistischen Gottes.

    Antworten
  7. Sz. K. sagt:

    Kontinuierlicher Selektionsdruck, der eine Makroevolution verursacht und Millionen von Jahren andauert, existiert in der Natur nicht. Ein Organismus reagiert auf den Selektionsdruck, den er erhält, immer mit einer mikroevolutionären Veränderung innerhalb seiner eigenen Lebenszeit. Wenn Sie es nicht können, werden Sie ausgestorben. Evolutionäre Stammentwicklung / Makroevolution / ist eine pseudowissenschaftliche Schizophrenie.

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