Interview mit Sebastian – Aktivist aus Dresden

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Mit Sebastian betreue ich zusammen, neben diesem Blog, noch zwei weitere Plattformen, die über Zeugen Jehovas aufklären. Sebastian schreibt regelmäßig als Autor auf meiner Webseite, und ist ein ausgezeichneter Sparringspartner, da er ein sehr tiefes Wissen über die Entstehung und Geschichte sowie die Lehren der Zeugen Jehovas besitzt.

Was war der Grund deines Ausstiegs?
Die Lehren. Sobald man beginnt die Lehren der Zeugen Jehovas zu prüfen, stößt man immer mehr auf Widersprüche, welche das fragile Glaubensgerüst offenbaren. Erst später waren dann die Themen wie Kindesmissbrauch, Geschichtsklitterung ein weiterer Grund. Wobei ich einfach nur untätig bin, da es mir absolut egal ist. Ich werde trotzdem wie ein Ausgeschlossener behandelt.

Hast du Familie eingebüßt?
Ja.

Wie bist du zu den Zeugen gekommen, was war dein Werdegang?
Hineingeboren, mit 14 Jahren getauft. Bauregion, Dienstamtgehilfe, … – also immer ein „vorbildlicher“ Zeuge. Zum Glück habe ich die Reißleine gezogen bzw. ziehen können, bevor es in der Hierarchie weiter nach oben gegangen wäre.

Wie hat sich deine Zugehörigkeit positiv/negativ auf dein Leben ausgewirkt?
Eine schwere Frage, da man sich das „Was wäre wenn“-Szenario natürlich immer sehr positiv ausmalt. Positiv, man ist nach klaren Regeln aufgewachsen, welche einen vermutlich vor einigen
Unsinn bewahrt haben. Auch rhetorisch und kommunikativ hat man eine gewisse Grundbildung genossen. Negativ ist sicher das „Verbot der höheren Bildung“ gewesen, welches starke Auswirkungen auf Schulbildung und Beruf hatte. Sehr viel verschwendete Zeit für einen amerikanischen Druckkonzern, viel vergeudete Jugend, einige geraubte Möglichkeiten und sicherlich auch Auswirkungen im sozialen Bereich hinsichtlich Freundschaften und Partnerschaft.

Was hat sich seit deinem Ausstieg/Ausschluss verändert?
Ich habe Zeit für ein zeitintensiveres Hobby. Weniger Stress und eine positivere und offenere Weltsicht. Ansonsten das Übliche: ein stark reduzierter und sich verändernder Freundeskreis.

Wie siehst du die Zukunft der WTG und wie schätzt du diese Gemeinschaft an sich ein?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Geldforderungen immer extreme Änderungen brachten – so z.B. die Änderung zur kostenfreien Zeitschriftenverbreitung aus Steuergründen. Die aktuelle Entwicklung rund um das Thema Kindesmissbrauch wird eine massive Änderung und Reduzierung mit sich bringen. Jedoch denke ich kaum das es einen großen Knall gibt, sondern eher ein langsames Sterben.
Die Gemeinschaft als solches betrachte ich als eine stark destruktive, pseudoreligiöse und hoch manipulative Gruppierung. Leider kann sie sich im Gegensatz zu anderen Gruppierungen noch hinter einem einigermaßen guten Außenbild verstecken.

Bist du aktiv? Magst du darüber berichten? Was sind deine Ziele?
Ich bin in die Betreuung von zwei Plattformen involviert und schreibe für diverse Webseiten Artikel bzw. übersetze. Ziel ist ein relativer Begriff. Einiges entstand nebenbei, als Teil meines eigenen mentalen Entgiftens. Irgendwann wollte ich das gesammelte Wissen nicht ungenutzt entsorgen. Auch waren einige Netzwerke – besonders r/exjw – für mich eine massive Unterstützung beim Verstehen der Zeugen und ich wollte dies zurückgeben. Schon eine Person, die es schafft, die Lügen zu durchschauen, ist die Arbeit wert.
Ich bin der Meinung, dass es keiner Gruppierung zusteht, Menschen emotional durch den Ausschluss zu erpressen. Eine Entscheidung, welche ich mit 14 Jahren traf (ich war zu dem Zeitpunkt vor wenigen Wochen 14 geworden), raubt mir mit über 30 Jahren meinen Sozialkreis. Sobald die WTG die Erpressung von Aussteigern aufgibt und ermöglicht in Würde zu gehen, wäre ein Hauptpunkt meiner Aktivitäten erreicht. Ein weiterer Punkt wäre das Thema Blut, wobei auch hier der Ausschluss ein Problem als Druckmittel darstellt.

Bist du noch gläubig? Warum/Warum nicht?
Atheist. Ich kam an den Punkt, wo ich nicht nur die Lehren der Zeugen Jehovas prüfte, sondern alles. Meinen Glauben, die Bibel. Der beste Weg zum Atheisten ist es, die Bibel zu lesen. Neben den ganzen archäologischen Widersprüchen, wissenschaftlichen Unsinn und hanebüchenen Stories, welche sicher im Auge des Betrachters liegen, wurde mir die Person Gottes immer dubioser. Entweder gab es ihn nicht, oder er ist eine abstoßende Erscheinung. Wegen eines Fehlers den Menschen vor rund 6000 Jahren machten (ich bleibe der Einfachheit halber mal bei der Chronologie der WTG), in den knapp 30 Jahren im Paradies, lies Gott den Verursacher des Übels am Leben und verurteilte die Menschen zum fortlaufenden Tod. Einfach weil er eine Frage klären wollte, sozusagen „Die Sims“ für Erwachsene. Dann, im Jahr 33 lässt er seinen Sohn bestialisch ermorden, um die Sache zu bereinigen. Und unternimmt dann seit 2000 Jahren nichts, obwohl er das Leid beenden könnte. Dies könnte man entsprechend weiterführen. Natürlich muss man sich die Endlichkeit des Lebens eingestehen, was im ersten Moment erschreckend ist. Die Evolutionstheorie ist schlüssiger und wissenschaftlich belegt. Man muss dazu ergänzen, dass die Evolutionstheorie die man vielleicht als Zeuge durch die Zeitschriften gelernt hat, sehr bedenklich ist.

Reaktionen zu diesem Beitrag

  1. Barbara Kohout sagt:

    Super kurz und treffend zusammengefasst, was an der Geschichte mit Adam und Eva Nonsens sein muss. Sie diente allerdings wunderbar für die Erklärung der „Erbsünde“ und der damit erfolgten Erpressung zur Taufe um „Christ“ zu sein (oder in Harmagedon verschont zu werden). Also auch die Legitimation des Sklavenhandels. Die „ungetauften Heiden“ waren ja noch keine „Menschen“. Ich stimme von Herzen zu, dass man diese Karikatur eines Gottes nicht ernst nehmen kann, es sei denn man übernimmt den Tenor der Aussage und modifiziert sie für die eigenen „theokratischen“ Machtpläne.

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  2. Walter sagt:

    Wieder ein super Interview.

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  3. Felix v.St. sagt:

    Schade, dass du von einem Zeugen Jehovas zu einem Atheisten geworden ist. Natürlich kann ich es verstehen, wenn man genug von der Bibel und ihren Lehren hat. Schließlich verbindet man sie immer mit der Sekte der Zeugen Jehovas und wird an die Vergangenheit erinnert. Jedoch halte ich es für übereilt, direkt mit dem gesamten Christentum zu brechen.
    Du hat wahrscheinlich nie das wahre und biblische Christentum kennengelernt. Dafür trägst du keine Schuld, denn es ist unmöglich, bei den Zeugen Jehovas zur Erkenntnis der Wahrheit zu kommen. Sie verdrehen das gesamte Christentum und hohlen es aus.
    In Wirklichkeit steht das Christentum auf einem vernünftigen Grund und die Bibel ist tatsächlich verlässlich (auch wissenschaftliche betrachtet!). Sie geht nicht nur auf das Problem der Sünde ein, dass seit Adam und Eva diese Welt regiert, sondern gibt jedem Menschen auch echte und frohe Hoffnung. Der Atheismus bietet nichts davon. Der Atheismus hat keine Antwort auf den Tod, keine letzte Hoffnung zu spenden. Er ist eine leere und sterile Weltanschauung, die uns in einem geschlossenen Universum zurücklässt, das irgendwann die letzte Spur unserer Existenz verbrennen wird. Der Atheismus ist eine noch größere Fehldeutung als die Lehre der Zeugen Jehovas. Seine Geschichte endet im Grab.
    Deshalb meine Bitte: Setze dich mit dem wahren christlichen Glauben auseinander. Schlag dazu noch einmal die Bibel auf, rede mit bibeltreuen Christen oder lies ein gutes Buch dazu. Gerne stehe ich auch für einen Austausch bereit: fvst@gmx

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    1. Sebastian Renaud sagt:

      Sehr schöner Appell mit viel Nächstenliebe! Man muss ihm Zeit geben… er ist erstmal depolarisiert. Im Laufe seines Lebens wird er milder werden und seinen Frieden mit Gott machen. Genau wie Oliver.

    2. Sebastian sagt:

      Sebastian,
      ich habe dein Interview sehr geschätzt und freue mich für dich, dass du deinen Weg gehst.
      Jedoch würde es mich auch freuen, wenn du mir ebendies ebenso zugestehst. Über mich zu urteilen, dass ich depolarisiert bin weil ich nicht eure Gedankenwelt teile, ist bedenklich. Es bedeutet das deine/eure Sicht die einzig richtige. Jeder der kein Christ ist, ist depolarisiert? Krank, verpeilt? Kommt dir dies vielleicht etwas bekannt vor?

      Warum ist Religion ein Maßstab der Normalität? Ich schätze Menschen weil sie anders sind und es als Menschen wert sind, mit ihnen Zeit zu verbringen. Ich hoffe, dass immer mehr religiöse Menschen eben diese Intoleranz ablegen, wenn es um Glaubensbekenntnisse geht. Sehen wir nicht weltweit, wie die Sicht auf andere Glaubensbekenntnisse Trauer bringt? Wie religiöse Mehrheiten gegen Menschen die keinen Gott akzeptieren, vorgehen? Alles nur, weil sie andere für depolarisiert halten?

      Kannst du wirklich deinem christlichen Gelübde folgen und andere als depolarisiert verurteilen?

      Ich habe übrigens meinen Frieden mit Gott, denn wie kann ich Hass gegen etwas hegen, dass es nicht gibt?

    3. Sebastian sagt:

      Hallo Felix,
      ist dir mal aufgefallen, dass nur Christen Atheisten missionieren wollen, aber so gut wie nie Atheisten irgendwie Christen missionieren wollen? Warum respektieren die Einen eine andere Überzeugung, wohingegen es andersrum schwer fällt?

      Aber ich antworte dir gern:
      „Schade, dass du von einem Zeugen Jehovas zu einem Atheisten geworden ist. Natürlich kann ich es verstehen, wenn man genug von der Bibel und ihren Lehren hat. Schließlich verbindet man sie immer mit der Sekte der Zeugen Jehovas und wird an die Vergangenheit erinnert. Jedoch halte ich es für übereilt, direkt mit dem gesamten Christentum zu brechen.
      Du hat wahrscheinlich nie das wahre und biblische Christentum kennengelernt. Dafür trägst du keine Schuld, denn es ist unmöglich, bei den Zeugen Jehovas zur Erkenntnis der Wahrheit zu kommen. Sie verdrehen das gesamte Christentum und hohlen es aus.“

      Du kennst mich nicht, kennst meine Biografie nicht aber du kannst über mich und meinen Glauben urteilen. Über meinen Weg? Darf ich dich fragen, was du dir einbildest? Ist es eine Eingebung gewesen, dass du mein Leben zusammenfassen kannst? „Schuld, Erkenntnis, Wahrheit“ – da haben wir doch schon das Grundgerüst jeder Religion, und das in einem Satz, Respekt.

      „In Wirklichkeit steht das Christentum auf einem vernünftigen Grund und die Bibel ist tatsächlich verlässlich (auch wissenschaftliche betrachtet!).“

      Also die Sonne stand still? Gott schuf die Erde? Wasser zu Wein? Die Arche? Die Bärin die einfach mal paar Kinder zerfetzt? Inzest, Missbrauch – alles durch Gott geduldet?

      „Sie geht nicht nur auf das Problem der Sünde ein, dass seit Adam und Eva diese Welt regiert, sondern gibt jedem Menschen auch echte und frohe Hoffnung.“

      Was für ein Trugschluss. Ein pervertierter Gott lässt Menschen quälen um sie dann nach ihrem Tod weiter zu quälen oder in den Himmel zu holen. Übrigens, rechne mal durch: wie viele Menschen tötete Satan je aktiv? Wie viele ließ Gott hinrichten?
      „Der Atheismus bietet nichts davon. Der Atheismus hat keine Antwort auf den Tod, keine letzte Hoffnung zu spenden. Er ist eine leere und sterile Weltanschauung, die uns in einem geschlossenen Universum zurücklässt, das irgendwann die letzte Spur unserer Existenz verbrennen wird.“

      Ja, wie ich schrieb: die Einsicht, dass das Leben endlich ist schmerzt, bedeutet aber nicht, das es schlimm ist. Es gibt Religionen, die diese Nichtexistenz sogar also höchstes Ziel anstreben.

      „Der Atheismus ist eine noch größere Fehldeutung als die Lehre der Zeugen Jehovas. Seine Geschichte endet im Grab.“

      Nein, die Fehldeutung ist es, einen imaginären Freund zu haben. Und dann noch zu sagen, dass dieser imaginäre Freund viel geiler ist, als tausende andere. Dazu stellt sich die Frage: wenn alles so absolut ist, warum kann man die Welt dann kontinental in verschiedene Religionen trennen? Wollte dein Gott, dass Millionen anderer Menschen sterben? Warum gab er nicht allen die gleichen Chancen ihn zu erkennen?

      „Deshalb meine Bitte: Setze dich mit dem wahren christlichen Glauben auseinander. Schlag dazu noch einmal die Bibel auf, rede mit bibeltreuen Christen oder lies ein gutes Buch dazu. Gerne stehe ich auch für einen Austausch bereit: fvst@gmx“

      Ich kann mich mit dir über den „wahren christlichen Glauben“ austauschen. Wie lächerlich. Meinst du wirklich, du hast die „Wahrheit“ erkannt? Du kannst als „Führer“ zur „Wahrheit“ leiten? Was maßt du dir an? Selbst als Christ ist es vermessen, dies von sich zu behaupten. Denkst du wirklich, ich habe keine „guten Bücher“ gelesen? Kannst du dir vorstellen, dass du jemanden belehrst, der Bücher hat, 100te? Wie unverschämt ist es, mir zu unterstellen, nie mit bibeltreuen Christen geredet zu haben? Oder hältst du die, mit denen ich sprach für viel inkompetenter als du es bist? Denkst du wirklich, ein paar Zeilen per E-Mail auszutauschen bringt mich zurück zum Glauben an ein imaginäres Wesen?

      Genau solche Zeilen wie die deinen machen es für mich um so abstoßender.

    4. Walter sagt:

      „Setze dich mit dem wahren christlichen Glauben auseinander.“
      Welchen? Katholisch, evangelisch, orthodox ect?
      Diese behaupten alle für sich die wahren Christen zu sein. Was mich zur Frage drängt, was unterscheiden sich jetzt sämtliche Religionen da voneinander?
      Es ist immer wieder traurig zu sehen und zu lesen wie „Gottes Diener“ versuchen den „Gottlosen“ Gott näher zu bringen. Laut Bibel liebt Gott alle Menschen. Gott wird nachgesagt die personifizierte Liebe zu sein. Was lesen wir in der Bibel über die Liebe?(1. Korinther 13: 4-5)
      Ich finde Liebe ist an keine Bedingungen geknüpft. Aber genau das wird vom lieben Gott erwartet. Egal ob man in den Himmel oder Hölle kommt oder ewig im Paradies lebt. Diese „Belohnungen“ sind nur für „wahre Anbeter Gottes“ reserviert.
      Ich sehe wie Gott liebe ist……
      Ein Widerspruch in meinen Augen.

  4. Elisabeth sagt:

    Wirklich sehr gelungener Beitrag. Ich habe meinen Glauben an Gott ebenso verloren wie Sebastian. Hauptsächlich weil ich mit der Rolle der Frau in der Bibel nicht klar komme und auch weil in meinen Augen die Bibel historische Fehler und eine unschöne Beschreibung von Gott widerspiegelt. Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch keinen verurteilen der seinen Glauben noch behalten hat. Jeder soll so leben wie er es für richtig hält.

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  5. Leonidas sagt:

    Ein schwieriges Thema… der Glaube. Allerdings finde ich es immer wieder auffällig, dass „Aussteiger“ selbst gegen Leute, die keinerlei Hass in ihren Kommentaren haben, unfair auffahren und teilweise sehr beleidigend werden. Wir haben zum Glück einen freien Geist und Willen die Dinge zu bewerten. Ich persönlich kenne eine Menge Zeugen und kenne auch die Versammlungen. Diesem Thema „Missbrauch“ werde ich aber nochmal nachgehen. Zum Thema „Evolutionstheorie“ kann ich nur sagen, dass die Wissenschaft rein garnichts bewiesen hat. Deswegen das griechische Wörtchen „Theorie“. Die Wissenschaft hat eine Menge Dinge nachweisen können; keine Frage. Wir wissen, was Atome sind, Strahlung, DNA, DNA u.s.w. Aber es ist eine Fantasterei zu behaupten, dass das Leben rein zufällig, in komplexen Vorgängen schwups einfach so entstanden ist. Und genau das und die Entstehung des Universums kann die Wissenschaft eben nicht eindeutig erklären. Sogar renomierte Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass es kein Zufall sein kann. Quellen dazu gibt es reichlich im Netz. Für mich die Frage: Was hört sich nun mehr nach science fiction an? Das, was die Bibel sagt, oder die Wissenschaft? Wenn man sich deren Behauptungen genau auf der Zunge zergehen lässt, kommt man manchmal aus dem Lachen garnicht raus. Und dennoch ist es toll, dass jeder Mensch es für sich entscheiden kann, an was er glaubt. Und die Bibel und Wissenschaft sind auch keine Rivalen. Aber die große Frage wie Leben entstanden ist, kann die Wissenschaft leider nicht beweisen. Bis heute nicht…

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    1. Oliver Wolschke sagt:

      „Aber es ist eine Fantasterei zu behaupten, dass das Leben rein zufällig, in komplexen Vorgängen schwups einfach so entstanden ist.“

      Aus diesen Worten nehme ich an, dass du das Thema Evolution nur angerissen hast. „Schwups“ und „rein zufällig“ hat nichts mit Evolution zu tun. Das ist, wie es Richard Dawkins einmal geschrieben hat, ein hartnäckiger Mythos. Und Evolution beschreibt auch nicht die Entstehung von Leben, sondern die „allmähliche Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation“.

      Außerdem verlagert der Glaube an Gott nur die Frage, wie aus dem „Nichts“ etwas entstehen kann. Die gleiche Frage trifft dann auch auf Gott selbst zu.

      Und zum Zufall: Ich nehme an, du würdest es ebenfalls als Zufall betrachten, wenn du eine Münze in die Luft wirfst und dann entweder Zahl oder Kopf erscheint. Doch der Zufall ist in dem Moment kein Zufall mehr, wenn du sämtliche Parameter kennen würdest: Winkel des Abwurfs, Luftwiderstand, Geschwindigkeit und weitere.

      „Wenn man also sagt, etwas sei ‚per Zufall‘ oder ‚zufällig‘ geschehen, so sagt dies lediglich eines aus: Dass man keine Erklärung dafür hat. Dies wiederum bedeutet nicht, dass es keine Erklärung gibt, sondern nur, dass die Person, welche den Satz ausspricht, auf eine Erklärung verzichten will oder muss.“ – https://de.richarddawkins.net/articles/missinterpretierte-begriffe-zufall

    2. Sebastian sagt:

      Hallo Leonidas,
      sicherlich ist es sehr einfach, gelernte Argumente zu reflektieren. Ich tat dies viele Jahre. Erstaunlich fand ich dabei, zu erkennen was ich nicht gelernt hatte und – für mich noch erschreckender – was ich falsch gelernt hatte.

      „Zum Thema „Evolutionstheorie“ kann ich nur sagen, dass die Wissenschaft rein gar nichts bewiesen hat. Deswegen das griechische Wörtchen „Theorie“. “

      Dies ist ein Argument was Zeugen und andere Kreationisten sehr gern anführen. Jedoch besteht in dieser Begrifflichkeit ein Verständnisproblem zwischen 2 Welten: der Welt der Wissenschaft und derer, welche außerhalb dieses Fachbereiches leben. Die wissenschaftliche Deutung des Begriffs Theorie handelt von anerkannten Fakten oder Erklärungsmodellen, die übliche Deutung von Nichtwissenschaftlern ist, dass es eine Vermutung ist. Bewusst wird die zweite Deutung von Kreationisten genutzt, um die Evolution ins Lächerliche zu ziehen.

      Weiter schreibst du:
      „Aber es ist eine Fantasterei zu behaupten, dass das Leben rein zufällig, in komplexen Vorgängen schwups einfach so entstanden ist. Und genau das und die Entstehung des Universums kann die Wissenschaft eben nicht eindeutig erklären. Sogar renomierte Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass es kein Zufall sein kann.“

      Sicher, es gibt „renommierte“ Wissenschaftler, welche sich in kreationistischen Zeitschriften immer wieder gern zitieren lassen. Jedoch ist die Anzahl verschwindend gering. Du verfällst dabei auch in eine klassische Argumentation von Kreationisten: die Entstehung des Lebens. Leider hat dies nichts mit der Evolution – welche du kritisierst – zu tun. Viele Kreationisten lernen, dass es hier keinen Unterschied gibt, oder die Evolutionstheorie auch das Entstehen des Lebens klärt. Macht sie jedoch nicht.
      Du kannst es gern für dich als Fantasterei betrachten, gerade wenn du diese Vorstellung von Evolution hast. Ich würde mich aber freuen, wenn du wirkliche Argumente bringst.

      „Quellen dazu gibt es reichlich im Netz.“
      Und entschieden mehr über die Evolution.

      „Für mich die Frage: Was hört sich nun mehr nach science fiction an? Das, was die Bibel sagt, oder die Wissenschaft? Wenn man sich deren Behauptungen genau auf der Zunge zergehen lässt, kommt man manchmal aus dem Lachen garnicht raus.“

      Kannst du Beispiele nennen welche dich so erheitern?

      „Und dennoch ist es toll, dass jeder Mensch es für sich entscheiden kann, an was er glaubt. Und die Bibel und Wissenschaft sind auch keine Rivalen. Aber die große Frage wie Leben entstanden ist, kann die Wissenschaft leider nicht beweisen. Bis heute nicht…“

      Wie gesagt, dies hat erst einmal nicht mit der Evolution zu tun. Jedoch kann die Bibel dies auch nicht beweisen. Die Bibel stellt eine Behauptung auf, genau wie andere Religionen. Auch Gott (oder die vielen Götter weltweit, wenn man genau ist) als Schöpfer kann man nicht beweisen und muss ihn als eine Behauptung betrachten.

    3. Gerd Noll sagt:

      Ich sehe das genauso. Für mich gibt es keinen Beweis für einen Gott. Alles was wir über ihn/sie oder es wissen, haben sich Menschen ausgedacht. Die Motive der Religionsstiftenden waren unterschiedlich, verfolgten bestimmte Ziele und sind ganz sicher nicht immer zum Wohl der Menschen. Wer glauben möchte (egal was), der soll das meinetwegen tun, aber bitte andere nicht mit reinziehen. Öffentliche Glaubensbekundungen, die Beeinflussung von Kindern, die Nutzung für politische Zwecke oder die religiöse Haltung als Einstellungskriterium halte ich für übergriffig und inakzeptabel. Bekehrung, Gruppenzwang und Drohungen beim Verlassen der Gemeinschaften sind Mittel, die die freie Entscheidung gravierend einschränken.

      Bei dem Vergleich Glaube vs. Wissenschaft ist für mich ganz klar: glauben heißt nicht zu wissen. Damit ist die Wissenschaft die bessere Grundlage. Dort, wo allerdings die Fakten aufhören und die Theorie beginnt, begeben sich auch die Wissenschaftler auf dünnes Eis, auf dem die Religionen ja grundsätzlich unterwegs sind. Diese Kritik kann man gelten lassen. Über die Fakten hinaus bleiben viele Fragen offen. Das sollte man einfach akzeptieren und weiter forschen, jedoch nicht spekulieren bzw. irgendwas glauben, was sich Menschen vor mehreren tausend Jahren zusammen gereimt haben.

  6. Marcel sagt:

    Ich sehe es wie Elisabeth, dass es gute Gründe gibt in Frage zu stellen Dank vieler Aussagen die dort getroffen werden. Und wir alle kennen doch die positiven Dinge die dort stehen, dass muss doch nicht aufgezählt werden. Aber jeder muss daraus selber Rückschlüsse ziehen und sich ein Bild machen. Ich finde es nicht in Ordnung Sebastian hart in eine Richtung drängen zu wollen wenn er genau diese Richtung doch schon kennt. Mir geht es mittlerweile generell dolle auf den Sack, dass Menschen überhaupt die Frechheit besitzen eine Wahrheit gefunden und für sich gepachtet zu haben. Kann es nicht geben und viel schlimmer ist die daraus resultierende Logik, dass alle anderen Dreck sind. Nur sehr wenige Religionen respektieren andere Religionen ohne diese zu verurteilen, und nur die können besser als andere sein oder der Wahrheit näher wenn man es so nennen möchte. Und da hat Sebastian dann auch einfach Recht, dass man eben nicht besser ist als ein Zeuge wenn man seine Wahrheit aufdrängen möchte.
    Nur einen Punkt Sebastian. Versuch darauf zu achten das nicht auch selber so rüber zu bringen. Du schreibst gelegentlich auch sehr überzeugt.
    ZB: Ich habe übrigens meinen Frieden mit Gott, denn wie kann ich Hass gegen etwas hegen, dass es nicht gibt?
    Du hast das für dich festgestellt und das ist völlig in Ordnung, suggerierst damit aber genauso, dass du die Wahrheit gefunden hast, dass es ihn nicht geben kann. Wenn du einfach nur schreibst: …gegen etwas hegen, an das ich nicht glaube? Das wäre es perfekt und jeder kann dir besser folgen bzw. Hört dir glaube ich lieber zu.
    Es sind alles immer immer nur Meinungen von Menschen. Und ich denke das sollte man auch genau so verpacken. Wie gesagt, ich bin komplett bei dir und das ist nur ein kleiner Punkt der mir aufgefallen ist.

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    1. Sebastian sagt:

      Hallo Marcel,
      danke für die Kritik. In meinen Artikeln bemühe ich mich, es undogmatisch zu formulieren. Hier hatte ich es als sehr persönliche Antwort gedacht, hätte ich vermutlich deutlicher als meine Sicht zum Thema formulieren sollen.
      Behalte ich im Blick.

  7. Peter sagt:

    Hallo Sebastian, bin eben auf diese Seite gestoßen. Habe bis vor 2 Jahren in Dresden gearbeitet. Wohne jetzt im Vogtland. Interessante Kommentare…Ich wurde mit 15 bei den ZJ getauft und habe mit 30 die Gemeinschaft verlassen. Das war ein langer Weg und ich bin froh, dort raus zu sein. Auf diesem Weg weg von den ZJ hat die Wirklichkeit den persönlichen Gott für mich als
    nichtexistent kenntlich gemacht-der Götterglauben hat sich für mich aufgelöst. Ich bin mittlerweile 48 Jahre jung und habe viele Jahre an eine problematische Glaubensgemeinschaft verloren.
    LG Peter

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    1. Sebastian sagt:

      Hallo Peter,
      schade, da kennen wir uns sicher nicht.
      Ich kann dir nur zustimmen, der Götterglauben löst sich auf, sobald man mit der Wirklichkeit konfrontiert wird. Und ja, so viel vergeudete Lebenszeit, besonders wenn man erkennt, wie endlich alles ist.
      LG Sebastian

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